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Türme & Tote (Schundheft) (German Edition)

Türme & Tote (Schundheft) (German Edition)

Titel: Türme & Tote (Schundheft) (German Edition)
Autoren: Ludwig Plärrer
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endlich zu Hause. Immer wenn er den Blasiusturm sah, ging sein Kopfkino an und zeigte ihm vollbrüstige nackte Frauen, die den Mund zu voll genommen hatten. Das fand er ziemlich witzig, daraus musste man mal einen geilen Rap machen. »Schlampe nimm den Mund nicht so voll, Poppen is prima, aber Blasen is toll«.
    Wow, das funzte wieder wie am Schnürchen mit der Reimerei! Er war wortgewandt, ein richtiger kleiner Dichter, das mussten alle zugeben, wenn er mit seinen Kumpels auf der Bühne stand und die gegnerischen Rapper in die nächste Ecke blies. Haha, schon wieder blasen!
    Aber im Rampenlicht war er tatsächlich ein anderer. Da rockte er die Bude und überzeugte die Fans, die ihm ihre Stimme gaben. Taten sie es einmal nicht, waren sie eben Pussys oder Flachwichser oder bestochen. Doch auf Dauer würde ihm niemand widerstehen können, auch nicht Carola aus der Nachbarschaft, auf deren Brüste man ein Tablett mit Burger, Pommes, Ketchup und einer großen Cola abstellen konnte. Er würde es bei Gelegenheit ausprobieren.
    Das Leben ist eine coole Sau, dachte Toby und trat eine zerdellte Bierbüchse in den Rinnstein. Es schepperte. Das war der Sound, den er für den Rest seines Lebens hören wollte.
    In diesem Moment läuteten die Glocken der Blasiuskirche, es war Punkt zwölf. Bis zehn zählte Toby mit, die Zahlen danach kannte er nicht, sie waren auch uninteressant, nur was für Pussys, die Abitur hatten. Aber Kirchen hatten eine tolle Akustik, das sagten jedenfalls alle, die mal in einer gewesen waren.
    Manchmal war Toby spontan. Deshalb hatte er ja auch eben im »Palast der sieben Köstlichkeiten« gleich drei Portionen Kaufbeuren-Ente süß/sauer bestellt. Warum nicht mal in eine Kirche gehen? Okay, hier wären wohl gerade keine Fans von ihm, kleine dralle Mädels, die sich ihre Shirts vom Leib rissen, wenn er nur den Mund aufmachte um zu rülpsen. Aber man musste überall im Leben mal gewesen sein, dachte Toby.
    Er öffnete die Tür und trat ein. Wow, wie seine Schritte hallten! Ob er hier etwas singen sollte? Seinen Hit »Alte, ich steh total auf dich« etwa? Hm, hier war es aber laut. Von oben kamen komische Geräusche, klang wie ein Keyboard, kurz bevor es abkackt.
    In diesem Moment geschah etwas, das Toby nicht verstand. Gut, er verstand selten etwas, außer wenn seine Mama ihn zum Essen rief. Aber das hier? Er schloss die Augen und atmete tief ein...
    Dann ging er zum Blasiusturm, drückte die Türklinke, erstieg die Treppen, bis keine mehr da war, öffnete das Fenster und sprang hinaus. Als er unten ankam, schepperte es nicht. Es machte nur »plumps«.

Heulendes Elend

    Na supi, von wegen Malle und so. Kann ich mir abschminken. Auf dem Haus liegt 'ne fette Hypothek und die Bude in Neugablonz bekäm ich höchstens los, wenn ich die 20000 vom Girokonto noch obendrauf legen und ganz lieb »bitte, bitte« sagen würde. Bei meiner nächsten Erbschaft sollte ich vielleicht mal das Kleingedruckte lesen.
    Apropos lesen. Die Schlagzeile in der Allgäuer Zeitung heute Morgen hat mich fast vom Stuhl gehauen. »Rapstar fällt vom Blasiusturm«. Noch einer also. Wobei »Rapstar« ungefähr so klingt, als würde ich zu einem lausigen Regenwurm Boa Constrictor sagen. Toby war ein asozialer Nuschler, für den ist das Wort notgeil erst erfunden worden. Was will so einer in einer Kirche? Den Opferstock aufbrechen?
    Schon seltsam. Sollte der alte Sack am Ende doch Recht haben und es steckt mehr dahinter als Freitod, wie die Zeitung schreibt? Keine Anzeichen von Gewalt und so weiter. Geht ein Mörder um in Kaufbeuren? Nee, viel schlimmer: ein Serien mörder wie in diesen Psychothrillern, die sich Mama immer aus der Bücherei holt?
    Ach Quatsch. Wenn jemand so ne Lusche wie Toby ist, müsste man sich jeden Tag von irgendeinem Turm stürzen. Ich grüble einfach zu viel rum. Ob ich mal ins Bad gehen sollte? Oder hab ich nur Hunger? Besser, ich geh mal was essen.
    Und wo lande ich? Beim H & M natürlich. Wo soll ein armes siebzehnjähriges Mädchen auch sonst landen in Kaufbeuren. Na Mahlzeit. Scharfe Hotpants haben die, mal anprobieren. Passt. Gekauft. Das ist jetzt schon meine sechste für diese Saison, vielleicht zieh ich auch mal eine davon an. Aber Hotpants, da kleben einem die Kerle wie sabbernde Köter auf der Fährte. Und Kerle sind so ziemlich das Letzte, was ich gerade gebrauchen kann. Schlimmer als Pickel, die kann man wenigstens ausdrücken.
    Wenn die Volkshochschule mal einen Kurs »Lesbisch in drei Tagen« anbietet,
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