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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1
Autoren: Henry Kuttner
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gut ausgestattete Bibliothek, zu der auch eine Sammlung von Musikstücken gehörte.
    Er hatte diese Wohnung, von der seine Genossen nichts ahnten, unter falschem Namen gemietet und galt allgemein in der Nachbarschaft als Handelsvertreter, der aus einer entfernten Kuppel stammte. Näher konnte Sam Reed dem Leben nicht kommen, das Sam Harker von Rechts wegen geführt hätte.

 
5.
     
    Am ersten Tag des alljährlichen Karnevals, der das letzte Jahr im Leben Sam Reeds einleitete, saß er an einem kleinen Drehtisch und sprach mit einem Mädchen, das in korallenroten Samt gehüllt war.
    Es war fast Mittag. Das trübe Licht, das durch die Fluten der Schattensee und durch die Kuppel drang, fiel mit seiner größten Helligkeit auf die Stadt. Aber für die Dauer des Karnevals, der drei Tage währte, kümmerte niemanden die verstreichende Zeit, denn alle Uhren standen still.
    Wer nicht von Kindesbeinen auf mit Attraktionen vom Schlage des Karussellcafes groß geworden wäre, den hätte bei der Drehung der Stadt um Sam ein Schwindel ergriffen. Unter leiser Musik bewegte sich der ganze Raum langsam im Innern seiner durchsichtigen, kreisrunden Wände. Jeder Tisch, umgeben von mehreren Stühlen, drehte sich um seine eigene Achse. Hinter dem weichen Haar des Mädchens konnte Sam. die Kuppel erkennen, die sich unter ihm ausbreitete und gemächlich vorüberglitt.
    Eine Wolke farbigen Parfüms trieb wie ein langes Band vorbei und wogte in der Luftströmung träge auf und ab. Winzige Spritzer der wohlriechenden Flüssigkeit stäubten auf Sams Gesicht.
    Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte er sie fort und blickte das Mädchen aus zusammengekniffenen Augen an.
    „Nun?“ fragte er.
    Das Mädchen lächelte und neigte seinen Kopf über die schmale, doppelt geschweifte Leier, die es im Arm hielt. Bunte Bänder flatterten daran. Die langen Wimpern des Mädchens senkten sich über seine tiefblauen Augen, so daß sie fast schwarz wirkten, als es zu ihm aufblickte.
    „Ich bin gleich mit meinem nächsten Auftritt an der Reihe“, sagte Rosathe. „Später werde ich dir antworten.“
    „Du wirst mir jetzt antworten“, versetzte Sam. Er sprach nicht schroff, wie er den meisten Frauen begegnet wäre, aber bestimmt. Ein unruhiges Gefühl regte sich in ihm, wenn er Rosathe. ansah. Ihn störte, daß eine Frau ihn so stark beschäftigen konnte.
    Rosathe lächelte ihn an. Ihr Mund war klein und sanft. Ihr weiches, kurzgeschnittenes Haar fiel wie ein dunkler Schleier über ihren Kopf. In ihren blauen Augen, die schalkhaft funkeln konnten, stand überraschende Klugheit.
    Sam fürchtete sich vor der Zuneigung, die ihn für Rosathe erfaßt hatte. Aber er blieb Sam Reed, der mit einer Gefahr dadurch fertig wurde, daß er ihr entgegentrat. Wenn er sich das Mädchen überhaupt noch aus dem Kopf schlagen konnte, dann führte der Weg dahin über den Überdruß und nicht über den Versuch, es einfach zu vergessen. Er wollte schon zusehen, daß er das Mädchen baldmöglichst satt bekam.
    Rosathe zupfte mit dem Zeigefinger nachdenklich eine Saite der Leier.
    „Um drei Ecken herum habe ich heute morgen eine interessante Neuigkeit gehört“, bemerkte sie. „Du sollst dich mit Jim Sheffield überworfen haben. Stimmt das, Sam?“
    „Ich habe dich etwas gefragt“, entgegnete Sam ohne Erregung.
    „Ich dich auch.“
    „Also gut, es stimmt. Für den Fall, daß Jim sich als der Schnellere erweist, werde ich dir in meinem Testament ein Jahreseinkommen hinterlassen. Bist du darauf aus?“
    Rosathe errötete und ließ die Saite heftig zurückschnellen.
    „Ich könnte dich ohrfeigen, Sam Reed. Du weißt, daß ich mir mein Geld selber verdienen kann.“
    Sam seufzte. Er wußte ganz gut, daß sie recht hatte, und das erschwerte jede Auseinandersetzung mit ihr. Rosathe zählte zu den beliebten Sängerinnen. Wenn sie zu ihm zog, dann nicht deswegen, weil sie es auf sein Geld abgesehen hatte. Dieses Wissen trug noch dazu bei, seinen Seelenfrieden zu zerrütten.
    Die träge Musik, die zu den langsamen Bewegungen des Raumes paßte, brach ab. Dann setzte ein schnellerer Takt ein und wirbelte die Parfümwolken durcheinander. Rosathe stand auf und stützte die lange, schmale Leier gegen die Hüfte.
    „Das gilt mir“, sagte sie. „Ich werde es mir überlegen, Sam. Laß mir ein paar Tage Zeit. Vielleicht wärst du mit mir sowieso schlecht dran.“
    „Daran habe ich nie gezweifelt. Sing jetzt dein Lied. Ich komme wieder, wenn der Karneval vorbei ist, aber nicht, um
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