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TS 37: Tödliche Träume

TS 37: Tödliche Träume

Titel: TS 37: Tödliche Träume
Autoren: Raymond Z. Gallun
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hatte die Frau die Hosen an. Sie schwärmte für die Sendungen von Marilee Adams. In den Sensipsychträumen war sie Marilee. Dort sang – oder vielmehr schrie sie vor einer unabsehbaren Zuschauermenge, die ihr lärmend applaudierte.
    Mrs. Kovis, die durch die Plastik-Chirurgie ausgesprochen hübsch geworden war, gehörte zu den typischen Egozentrikern. Man erzählte sich, sie habe vor Jahren ihre Stimmbänder strecken lassen, um ihnen die gleichen Maße zu verleihen, wie sie der seit langem verstorbene Caruso besessen hatte. Aber ihr kleines Gehirn, das diese Stimmbänder kontrollieren sollte, wußte nichts von Musik. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als zu krächzen.
    Ellwynn Carpenter, ein Jüngling von neunzehn Jahren, mit unentwickeltem Kinn, fanatischen Augen und einer gewissen Klarheit des Denkens erklärte: „Hört sie bloß an! George Schaeffer und die anderen Wissenschaftler, die den Sensipsych ausgetüftelt haben, sollten allesamt aufgehängt wenden. Sie bringen die ganze Welt durcheinander. Warum lernt Mrs. Kovis nicht zum Beispiel kochen oder so etwas?“
    Die erschreckten Gesichter seiner Nachbarn unterbrachen ihn für einen Augenblick. Dann holte er tief Luft und fuhr langsam fort:
    „Andererseits könnte auch die Auffassung etwas für sich haben, daß der einzige Weg zur Erhaltung unserer Rasse in der reinen Gewalttätigkeit zu suchen ist. Brandstiftung, Plünderung, Mord, Krieg sind durchaus geeignet, die Verweichlichten auszurotten. Wir sollten zu den harten Realitäten der Wirklichkeit zurückkehren. Wir sollten …“
    Ellwynn Carpenter hielt plötzlich mit seiner feurigen Rede inne. Als Kind seines dekadenten Zeitalters war er nicht besonders mutig. Er spürte, daß er seine Zuhörer genauso überrascht und erschreckt hatte wie sich selbst.
    Das Schweigen schien elektrisch geladen. Mrs. Kovis wurde blaß. Ob aus Furcht vor der Drohung oder aus Zorn wegen der Beleidigung, war schwer zu sagen. Ihr drängte sich eine geharnischte Zurechtweisung der Jugend auf die Lippen. Doch sie schwieg. Nur ihre Augen verrieten, wie sehr sie sich über diese Vorwürfe erhaben fühlte.
    Ihr Mann trug die Entschlossenheit für ihre Verteidigung zur Schau, doch ihm fehlten die Geschicklichkeit und die Kraft.
    „Hören Sie zu, junger Mann! Es paßt mir nicht, daß jemand so über meine Frau redet!“
    Dave Clinton hielt plötzlich nichts mehr von seiner wohlwollenden Art und wurde betont grimmig. „Das wäre das letzte, was ich mir von Ellwynn gefallen ließe, Herrschaften“, erklärte er. „Wahrscheinlich sehen Sie in der Rückkehr gesetzloser Zustände die besseren Möglichkeiten für sich, Ellwynn.“ In seiner Stimme schwang eine versteckte Drohung mit.
    Anson Nord stand auf. „Beruhigt euch, Leute!“ grinste er. Eine Gruppe weiterer Männer, denen die wachsende Spannung nicht entgangen war, schob sich an seine Seite, um, wenn es notwendig sein sollte, den Frieden mit Gewalt zu verteidigen.
    Es wurde wieder still in der Runde. Nord spürte das Schweigen mit Beklemmung. Er kam sich vor wie in einer riesigen Stadt, die bereits in Ruinen zerfiel und das Ende vom Stolz der Menschen verkündete.
    Doch das Gefühl kannte noch eine Variation. Was Ellwynn Carpenter zum Lob der Gewalt gesagt hatte, war auch für ihn nicht fremd. Und er wußte, daß sich auch in den Köpfen der anderen ähnliche dunkle Gedanken bewegten. Der Grund war der Ekel vor sich selbst und den Menschen. Die Gehirne wurden passiv und überließen das Handeln den Hilfsmitteln der Technik. Jeder liebte die bequeme Dekadenz, obwohl sie gefährlich war, und man sie mehr fürchtete als bewunderte. Besonders realistisch erschienen Carpenters höllische Prophezeiungen, wenn man daran dachte, wie sehr die Möglichkeiten für jede Gewalttat im Laufe der letzten Jahre zugenommen hatten. Sie standen genau im umgekehrten Verhältnis zur nachlassenden Ausdauer der verweichlichten Menschheit.
    „Es könnte eintreten“, grollte Dave Clinton, „genau wie Ellwynn sagte. Nur schlimmer. Wir wissen es alle.“
    Nord lächelte. Für ihn war könnte nicht das richtige Wort. Mußte war viel besser. Die menschliche Natur drängt nach dem Ausbruch des Unvermeidlichen. Und hier wurde sie unterstützt durch das bange Ahnen, durch Carpenters Vorschläge und am meisten durch sein eigenes gleichlaufendes Denken. Nord kannte sich mit Sicherheit als einen friedfertigen Menschen. Dennoch konnte ihn die Flucht in die Raserei überfallen. Und mehr noch konnte sie es
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