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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede
Autoren: Markus Heitz
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einkehrt.«
    Seite an Seite durchschritten sie das zweite Tor und gelangten in den großen Innenhof der beeindruckenden Festungsanlage, wo sich Stallungen, Wirtschaftshäuser und Unterkünfte an die dicken Wände schmiegten, als suchten sie trotz der friedlich gewordenen Zeit immer noch Schutz. Die schlichte, aber sehr unterschiedliche Kleidung der Menschen, die geschäftig hier ein und aus gingen, verriet Raspot, dass die Gefolgschaften der eingetroffenen Adligen ihre Lager darin bezogen hatten.
    : für Eure Taten hat Euch
    der alte Bschoi zu seinem Nachfolger ernannt.« Fjanskis Gesicht wurde noch ernster. »Dankt Ulldrael, dass Euch die Schlacht erspart geblieben ist. Es gibt genügend Überlebende, die nach durchstandenem Grauen ihren Verstand verloren haben. Der tapfere Saltan gehört zu jenen, denen es mit Müh und Not gelang, ihren Verstand zu behalten.« Er winkte einen Stallburschen herbei, den er anwies, sich um den Fuchshengst zu kümmern. Dann führte er Raspot in den einstigen Thronsaal, wo die übrigen Adligen ein Bankett feierten. »Ich lasse Euch später Eure Unterkunft zeigen, Vasruc Putjomkin. Zuerst die Arbeit.«
    Der Raum war groß und vom wahnsinnigen Kabcar mit den kostspieligsten Stucken versehen worden, wobei dieser keine Rücksicht darauf genommen hatte, ob die Verzierungen zu dem dunklen, schweren Gebälk passten oder nicht. Üppige Malereien an Decke und Wänden erschlugen das Farbempfinden des Betrachters, eine Batterie kristallener Lüster tauchte den Saal in strahlendes Licht. Auf Raspot machte es den Eindruck, als sei der Raum völlig willkürlich von einem launischen, verzogenen Kind eingerichtet worden.
    Die achtzig Gäste hockten klein und unscheinbar in der überbordenden Pracht und gingen selbst mit den gewiss kostspieligen Kleidern und all ihrem Prunk und Protz darin verloren. Leise Unterhaltungen drangen zu dem Gastgeber und dem Vasruc, es wurde vornehm gelacht und gescherzt.
    »Willkommen in der Schlangengrube«, lächelte ihm Fjanski warnend zu. »Hört, wie sie zischeln und fauchen, Gift spucken und zubeißen, sich um ihre Gegner winden. Was manche für eine freundliche Umarmung gehalten haben, wurde rasch zu einem tödlichen Druck. Zu viele Nattern verlangt es nach dem Thron.« Er gab dem Ausrufer ein Zeichen, während ein Bediensteter neben Raspot erschien und ihm den staubigen Mantel abnahm. Darunter kam eine nicht sonderlich teure, aber geschmackvolle Garderobe zum Vorschein. »Seid wachsam, Vasruc.«
    Der Ausrufer stieß mit dem Stock dreimal auf den Boden, das Gelächter und die Unterhaltungen wurden leiser. Beinahe alle Anwesenden wandten sich zum Eingang und betrachteten den unerwarteten Besucher; man war neugierig, wen Harac Fjanski dieses Mal brachte. Die mürrischen Gesichter entspannten sich sogleich, als man hörte, wer er war: nämlich kein weiterer Aspirant auf den Titel des Kabcar von Borasgotan.
    »Stärkt Euch und schließt Bekanntschaften«, riet ihm der Haraij: väterlich. »Wir werden zusammenhalten müssen, wenn wir unsere Macht in Borasgotan zurückerlangen wollen.«
    »Das Land braucht demnach einen Schlangenbeschwörer«, bemerkte Raspot und bezog sich dabei auf den Vergleich von Fjanski.
    »Gut erkannt! Die unglücklichen Reformen von Lodrik Bardric sind den meisten einfachen Menschen in viel zu guter Erinnerung geblieben. Sie sollen sich nicht an die Freiheiten gewöhnen.« Er klopfte ihm auf die Schulter und kehrte zu seinem Platz zurück.
    Raspot setzte sich neben einen alten, vom Alkohol gezeichneten Mann, unter dessen dichtem Bart die geplatzten Äderchen in der Haut zu sehen waren; die Nase war überdimensional angeschwollen und erinnerte an eine überreife rote Frucht, die jeden Augenblick zu zerplatzen drohte. Zusammen mit der Uniform, an der noch Orden von Arrulskhan IV. prangten, wirkte er wie eine Karikatur der vergangenen Zeit. Ihn würde sicherlich niemand wählen. Diener brachten Raspot ein Gedeck und boten ihm die verschiedensten Speisen an, von geschmortem Wildbret über erlesene Früchte bis hin zu ausgefallenen Süßspeisen, deren Herstellung ein Vermögen gekostet haben musste. Fjanski besaß gewiss einen geheimen Vorrat an Parr, um das alles bezahlen zu können.
    Nach dem langen Ritt war der junge Adlige hungrig, und so sehr er sich Mühe gab, vornehm zu essen, zerteilte und kaute er sein Essen doch schneller als gewöhnlich.
    Fjanski erhob sich, schlug mit dem Löffel gegen das Glas; die Gespräche verebbten. »Ich kämpfte in
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