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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest
Autoren: Philipp Espen
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Angéliques Elternhaus stand, hatte man eine Barrikade aus Balken und Karren errichtet. Henri musste leise fluchen, obwohl das sonst eigentlich nicht seine Art war. Hinter der Barrikade hantierten Maurer mit Kellen und Spitzeisen und rührten Mörtel in Bottichen an; über Seilwinden zog man zudem Gerüsthölzer an Häuserfronten empor. Die Straße hinter der Absperrung war aufgerissen, Erdarbeiter mit groben Kapuzen stapelten Kopf- und Quadersteine.
    »Lasst mich durch bis zum Haus des Buchmalers. Ich muss zu seiner Tochter. Angélique Maxime ist krank und braucht die Hilfe des Medicus!«
    Ein Arbeiter, dessen mageres Gesicht von Schmutz und Schweiß überzogen war, sagte: »Das ist traurig, Kaufmann, aber dennoch werdet Ihr einen Umweg nehmen müssen. Hier geht es nicht weiter, das seht Ihr ja.«
    »Sagt mir, wie ich in die Gasse der Buchmaler gelangen kann!«
    »Mit dem Pferd kommt Ihr überhaupt nicht hinein, mein Bester. Ihr müsst absteigen und das Viertel zu Fuß durchqueren. Aber auch das ist nur über den Zugang von Süden her möglich.«
    »Aber bei dem Menschengewimmel wird es sicher eine geschlagene Stunde dauern, bis ich diesen Zugang erreiche!«
    Der Mann wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. »Sicher. Aber so ist es nun mal. Wir feiern bald die Tage der Karwoche. Und das neue Reliquiar wird eingeweiht. Und meine Frau kommt zum achten Mal in die Wehen. Und bis es so weit ist, müssen wir uns eben durch die Stunden quälen, jeder von uns, einerlei, womit.«
    »Hab Dank für deine kuriose Predigt! Wenn Angélique stirbt, bevor ich den Arzt alarmiert habe, komme ich zurück und werde dich mit meiner Art der Predigt bekannt machen!«
    Der Arbeiter musterte Henri von oben bis unten, machte eine abfällige Geste und wandte sich dann wieder den Steinen zu.
    Henri nutzte die Gelegenheit, stieg vom Pferd und zwängte sich über die Baustelle. Mehrere Arbeiter protestierten, aber Henri kümmerte sich nicht darum. Er wusste, dass er sich beeilen musste. Angélique brauchte Hilfe, und wenn sich sein Verdacht bestätigte, wäre bald auch die gesamte Stadt in Gefahr.
     
     
    Als Joshua das Haus des Stadtmedicus verließ und auf die Gasse trat, zogen dunkle Wolken auf. Er sah sie in der abendlichen Dunkelheit nicht, aber er spürte sie. Sie brachten eine ungewöhnliche, feuchte Wärme mit sich. Ein Gewitter kündigte sich an. Es würde einige von Quimpers gewundenen, abfallenden Gassen sicher bald in Sturzbäche verwandeln. Joshua hörte die Glocken läuten, die den Kupferschmieden wegen des herannahenden Regens erlaubte, das Feuer in ihren Essen wieder zu entfachen.
    Jetzt, wo sich das Gewitter so deutlich ankündigte, schienen die Menschen noch schneller zu hasten. Joshua war zu Fuß unterwegs. Er hatte nichts erreicht und war wütend darüber. Der Medicus sei nicht abkömmlich, hatte man ihm gesagt, er habe neue, ungewöhnliche Pulver zu studieren, aus denen wichtige Medikamente bereitet werden könnten, für Hausbesuche habe er keine Zeit. Joshua beschloss, Angéliques Elternhaus in der Buchmalergasse aufzusuchen. Vielleicht war Henri ja schon dort.
    Kurze Zeit darauf erreichte Joshua das Buchmalerhaus. Die Mansarde, in der sich Angélique vermutlich gerade quälte, lag im überstehenden Obergeschoss eines dreistöckigen Ständerbaus mit roten Gerüsthölzern und hellgrünen Fachen. Über dem Eingang hing das Wappen der Buchmaler.
    Henri war nirgends zu sehen, aber der Hausbesorger öffnete Joshua die Tür, als er ankam. Anschließend überreichte er ihm die Schlüssel zum Haus – er war über die nahende Hilfe bereits informiert worden. Der kleine ehrerbietige Mann, dessen Frau ihn um Kopflänge überragte, hieß André. Die beiden unteren Räume des Hauses waren sein Refugium, doch er weilte nur dort, wenn die Familie Maxime anwesend war oder ihn wie jetzt brauchte.
    »Die arme Kranke liegt im ersten Stock, ein Herr und Medicus Priziac sind bereits bei ihr. Ihr wartet am besten unter dem Dach in der Mansarde, bis die Untersuchung beendet ist. Ich werde Euch rufen, sobald es so weit ist.«
    Joshua war einverstanden und stieg die Treppe hinauf. Hinter verschlossenen Türen hörte er die Stimme Henris und die eines Fremden. Und zwischendrin vernahm er ein Stöhnen.
    Im ersten Stock lag neben den Wohnräumen auch die Werkstatt des Buchmalers. Die Arbeit ruhte, das Haus war wegen der Messe in Brest verwaist, machte aber einen sauberen Eindruck.
    Unter dem Dach war es warm. André hatte die Fenster
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