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Treibland

Treibland

Titel: Treibland
Autoren: Till Raether
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nur die Tür zuschlagen. Das sieht so hässlich aus vom Grün. Wenn die Tür hier immer offen steht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie …»
    Die junge Frau, die eigentlich ganz hübsch war, wenn er darüber hinwegsah, dass sie ein sehr rundes und etwas flaches Gesicht hatte, starrte ihn fassungslos an. «Aber Sie haben mich doch gesehen», sagte sie mit dem Anflug eines ausländischen Akzents. «Sie haben doch gesehen, dass ich gerade …»
    «Um Gottes willen», sagte Steenkamp und schüttelte sie ein bisschen, und dann noch ein bisschen mehr, weil er wusste, dass sie zu verwirrt war, um sich dagegen zu wehren. «Was glauben Sie denn. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie ausgerechnet in dem Augenblick aus der Tür …»
    «Aua», sagte die junge Frau, in deren Gesicht etwas zusammenzustürzen schien. «Sie tun mir weh.»
    Steenkamp drückte noch einmal fest zu, als hätte er keine Kontrolle über seine Hand, und ließ sie dann los. Er sah befriedigt, wie sie zwei Schritte von ihm wegtaumelte, als wäre sie sehr betrunken. Während sie die Hand zum Kopf führte, sagte er: «Sie sollten das von einem Arzt anschauen lassen. Ich bin zwar selbst einer, aber ich praktiziere leider seit einigen Jahren nicht mehr.»
    Als sie sich gefasst hatte und sich umdrehte, fielen ihm zwei Dinge auf: ihr Blick, der ihn wieder an Jette und Jörn erinnerte, denn darin lag eine Verständnislosigkeit, die noch größer war als Abscheu und Angst; und das wirklich schlechte Material der schwarzen Polyesterhosen, mit denen der Club sein Personal ausstattete. Das sollte man vielleicht mal an passender Stelle zur Sprache bringen, dachte Steenkamp.
    «Und sagen Sie Bescheid, wenn Sie etwas brauchen!», rief er ihr hinterher, als sie unsicher und blutend den Sitz des Carts bestiegen hatte und sich in einem unklaren Halbkreis auf den Rückweg zum Clubhaus machte. Dann hob er den Sonnenschirm auf, den sie aus dem Schuppen geholt hatte, warf ihn achtlos zurück und schloss die Tür. Als er sich umdrehte, sah er, dass Peters und der Neue ihre Schläge gemacht hatten und auf ihn warteten. Er hatte keine Ahnung, was sie von seinem Missgeschick und dem bedauerlichen Unfall gesehen hatten, aber es war nicht wichtig. Er fühlte sich wieder besser und freute sich auf den nächsten Schlag. Golf gab ihm das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein; Golf war stärker als Reue, Vernunft und alle Pläne. Golf war klar und hell. Für ihn war Golf, was für andere Leute Liebe war. Und Liebe war für ihn, was für andere Leute Golf war: eine sinnlose und kostspielige Zeitverschwendung.
    Während er überlegte, welches Eisen er jetzt nehmen sollte, betrachtete er Lorsch, den Neuen, der einen Schritt vor Peters stand und so aussah, als wäre er ein offener Mensch. Schräg hinter ihm machte Peters ein billiges, aber eindeutiges Zeichen: Daumen hoch, aber nur nebenhin, wie ein Selbstgespräch in Körpersprache: Der Neue war im Boot, zumindest interessiert. Steenkamp fühlte sich müde, aber besser, seit er seine Wut gewissermaßen vor dem Schuppen abgeladen hatte. Seit zwanzig Jahren hatte er diese Golfplatzfreundschaft mit Wilken Peters, der ihm außerhalb des Clubgeländes nicht mal sympathisch war. Der streng genommen nicht mal dazugehörte, ein Beamter, ein Funktionär, der sich hochgearbeitet hatte, statt immer schon da zu sein, wo man zu sein hatte. Peters hatte ihm genützt über die Jahre, aber er hätte ihn nie so nah an sich heranlassen dürfen. Oder?
    Steenkamps Vater hatte immer gesagt: Man muss die Menschen verbrauchen, wie sie sind. Sein Vater hatte dies nie weiter ausgeführt, er hatte sich nur in unkommentierten Einzeilern geäußert. Aber in Steenkamps Erfahrung bedeutete verbrauchen in diesem Zusammenhang nur zwei Dinge: benutzen oder zerstören. Er verdrängte den Gedanken an die Frage, wie die Rollenverteilung in dieser Hinsicht bei Peters und ihm war. Stattdessen schenkte er Lorsch ein väterliches, sympathisch zerstreutes Lächeln und dachte: Ich weiß noch nicht, ob wir dich benutzen oder zerstören werden. Aber wir werden dich verbrauchen, wie du bist.

[zur Inhaltsübersicht]
    Teil 1 Kaltausschiffung
    1 . Kapitel
    Im Kinderzimmer bot sich Hauptkommissar Danowski ein schreckliches Bild. Er musste sich an den Türrahmen lehnen und für einen Moment die Augen schließen, so ohnmächtig fühlte er sich angesichts der Verheerung. Er atmete tief ein und langsam wieder aus und öffnete dann die Augen weit.
    Das Bettzeug war aus dem
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