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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Kickbox-Trainer ein paar Sparringsrunden zu absolvieren. Dienstags und donnerstags nahm sie an einem Fortgeschrittenenkurs in einem Kendo-Dojo teil und kämpfte dort mit dem Shinai-Schwert aus Bambusstäben. Maya versuchte, sich einzureden, dass sie nichts anderes wollte, als fit zu bleiben, so wie ihre Kollegen, die joggten oder Tennis spielten. Aber insgeheim wusste sie, dass es um mehr ging. Wenn man kämpfte, war man vollständig auf den gegenwärtigen Moment fixiert, richtete seine Energie einzig und allein darauf, sich zu verteidigen und den Gegner zu vernichten. Eine solche intensive Erfahrung hatte das bürgerliche Leben ihr nicht zu bieten.
    Nun war sie in Prag, um ihren Vater zu besuchen, und die vertraute Paranoia eines Harlequins ergriff wieder mit Macht von ihr Besitz. Nachdem sie sich an einem Schalter das Flugticket gekauft hatte, stieg sie in den Shuttlebus und setzte sich in eine der hinteren Reihen. Ein ungünstiger Platz, falls man einen Angriff abwehren musste, aber sie war fest entschlossen, sich daran nicht zu stören. Maya beobachtete, wie ein älteres Ehepaar und eine Gruppe deutscher Touristen den Bus bestiegen
und ihr Gepäck abstellten. Sie versuchte, sich abzulenken, indem sie an Thorn dachte, aber ihr Körper übernahm das Kommando, und ohne es zu wollen, stand sie auf und setzte sich auf einen Platz am Notausgang. Zornig darüber, dass ihre Ausbildung zum Harlequin wieder einmal die Oberhand gewonnen hatte, ballte sie die Fäuste und starrte aus dem Fenster.
    Kaum war der Bus vom Terminal losgefahren, hatte es zu nieseln begonnen, und als er sich der Innenstadt näherte, wurde der Regen heftiger. Prag war an den beiden Ufern der Moldau erbaut worden, und die schmalen Straßen und grauen Steinhäuser gaben ihr das Gefühl, in einen Irrgarten geraten zu sein. Die Stadt war voller Kirchen und Burgen, deren spitze Türme in den Himmel stießen.
    An der Bushaltestelle boten sich ihr erneut verschiedene Alternativen. Sie konnte zu Fuß zum Hotel gehen oder ein Taxi anhalten. Der legendäre japanische Harlequin Sparrow hatte geschrieben, wahre Krieger sollten »Zufälligkeit kultivieren«. Mit wenigen Worten hatte er eine komplette Philosophie entworfen. Ein Harlequin lehnte dumpfe Routine und bequeme Angewohnheiten ab. Er lebte äußerst diszipliniert, hatte aber keine Furcht vor Unordnung.
    Es regnete noch immer. Ihre Kleidung war inzwischen fast durchnässt. Das Naheliegendste war, in das Taxi zu steigen, das wartend am Bürgersteig stand. Maya zögerte einige Sekunden lang, dann beschloss sie, sich wie eine normale Bürgerin zu verhalten. Sie nahm ihre Taschen in die eine Hand, riss mit der anderen die hintere Tür auf und stieg ein. Der Fahrer war ein kleiner, untersetzter Mann mit Bart, der aussah wie ein Troll. Sie nannte ihm den Namen ihres Hotels, aber er reagierte nicht.
    »Hotel Kampa«, sagte sie auf Englisch. »Ist das irgendwie ein Problem?«
    »Kein Problem«, antwortete der Fahrer und fuhr los.

    Das Hotel Kampa war ein großes vierstöckiges Gebäude, solide und gepflegt, mit grünen Markisen. Es befand sich in einer Kopfsteinpflasterstraße nahe der Karlsbrücke. Maya bezahlte den Taxifahrer und wollte die Tür öffnen, doch sie war verriegelt.
    »Los, machen Sie schon die Tür auf.«
    »Tut mir Leid, meine Dame.« Der Troll drückte auf einen Knopf, und das Schloss ging klackend auf. Lächelnd sah er zu, wie Maya ausstieg.
    Sie ließ ihr Gepäck vom Portier tragen. Da sie ihren Vater besuchte, hatte sie den Drang verspürt, mit den üblichen Waffen ausgerüstet zu sein. Sie waren in einem Kamerastativ versteckt. Ihr Äußeres verriet nicht, aus welchem Land sie stammte, deshalb sprach der Portier auf Englisch und Französisch mit ihr. Für die Reise nach Prag hatte sie auf ihre farbenfrohe Londoner Kleidung verzichtet und trug stattdessen halbhohe Stiefel, einen schwarzen Pullover und eine weite graue Hose. Harlequins hatten eine Vorliebe für maßgeschneiderte Kleidung aus teuren, dunklen Materialien. Keine engen oder bunten Sachen. Nichts, was beim Kämpfen hinderlich war.
    Im Foyer standen Klubsessel und kleine Tische. An der Wand hing ein verblasster Wandteppich. Der Angestellte hinter dem Empfangstresen warf einen Blick auf das Stativ und die Videokamera, und seine Neugier schien befriedigt. Harlequins befolgten die Regel, dass sie stets in der Lage sein mussten zu erklären, wer sie waren und warum sie sich an ihrem jeweiligen Aufenthaltsort befanden. Die
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