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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Haltestelle Arsenal; es dämmerte bereits, als sie sich dem ebenerdigen Ausgang näherten. Thorn hatte in einem indischen Restaurant in Finsbury Park einen Tisch für ein frühes Abendessen reserviert. Maya hörte aus der Ferne Lärm – Gebrüll und Getröte von Plastiktrompeten – und fragte sich, ob dort ein Demonstrationszug unterwegs war. Dann folgte sie ihrem Vater durch das Drehkreuz und schien sich plötzlich am Rand eines Kriegsschauplatzes zu befinden.
    Vom Bürgersteig aus sah sie eine Horde Menschen die Highbury Hill Road entlangmarschieren. Keiner von ihnen trug ein Transparent mit Protestparolen, und Maya begriff, dass gerade eben ein Fußballspiel zu Ende gegangen war. Am Ende der Straße stand das Stadion von Arsenal, und ein Klub mit den Vereinsfarben Blau und Weiß – es handelte sich um Chelsea – war dort zu Gast gewesen. Die Chelsea-Fans kamen aus dem Besuchereingang am Westrand des Stadions und liefen
durch die schmale, von Reihenhäusern gesäumte Straße. Es war eigentlich nicht weit bis zum U-Bahnhof, aber jetzt glich die kurze Strecke auf dieser Straße in North London einem Spießrutenlauf. Die Polizei wollte verhindern, dass die Hooligans unter den Arsenal-Fans Prügeleien mit den Anhängern von Chelsea anzettelten.
    Uniformierte am Straßenrand. Dazwischen Blauweiß. Rowdys in Rot, die Flaschen schmissen und versuchten, die Polizeikette zu durchbrechen. Unbeteiligte Bürger, die sich unerwartet vor den herannahenden Fans wiederfanden, hasteten zwischen geparkten Autos hindurch und rissen Mülleimer um. Am Bordstein wuchs Weißdorn, und jedes Mal, wenn jemand gegen einen der Büsche gedrückt wurde, zitterten die rosa Blüten. Blütenblätter segelten durch die Luft und fielen auf die wogende Menge.
    Der größte Pulk war nur noch etwa hundert Meter vom Eingang des U-Bahnhofs entfernt. Thorn hätte sich nach links wenden und die Gillespie Road hinaufgehen können, aber er blieb auf dem Bürgersteig stehen und betrachtete die Menschen um sich herum. Er lächelte ein wenig, sich seiner Macht voll bewusst, amüsiert angesichts der sinnlosen Gewalt dieser Drohnen. Zusätzlich zu dem Schwert trug er noch mindestens ein Messer bei sich sowie eine Pistole, die er sich in den USA besorgt hatte. Wenn er wollte, könnte er sehr viele dieser Menschen töten, aber es handelte sich hier um eine öffentliche Auseinandersetzung, und die Polizei war zugegen.
    Maya schaute zu ihrem Vater hoch. Wir sollten von hier verschwinden, dachte sie. Die Leute sind total außer sich. Aber Thorn warf seiner Tochter einen strengen Blick zu, so als hätte er ihre Angst gespürt, und Maya schwieg.
    Alle schienen aus vollem Hals zu schreien. Die verschiedenen Stimmen verschmolzen zu einem einzigen, wütenden Gebrüll. Maya hörte einen hohen Pfeifton. Das Heulen einer Polizeisirene. Eine Bierflasche flog durch die Luft und zersplitterte
weniger als einen Meter von der Stelle entfernt, wo sie und ihr Vater standen. Plötzlich durchbrach ein Keil aus roten Hemden und Schals die Polizeikette, und Maya sah, wie die Hooligans Schläge und Fußtritte austeilten. Über das Gesicht eines Polizisten lief Blut, aber er hob seinen Schlagstock und setzte sich zur Wehr.
    Sie drückte Vaters Hand. »Gleich sind sie hier«, sagte sie. »Komm, lass uns gehen.«
    Thorn drehte sich um und zog seine Tochter zurück in den Eingang zur U-Bahn-Station, so als wollte er mit ihr dort Schutz suchen. Doch inzwischen trieben die Polizisten die Chelsea-Fans voran wie eine Viehherde, und plötzlich befanden sich Maya und ihr Vater inmitten von blau gekleideten Männern und wurden zusammen mit ihnen an dem Fahrkartenschalter vorbeigeschoben, hinter dessen dicker Glasscheibe sich ein ältlicher Bahnangestellter duckte.
    Vater sprang über das Drehkreuz, und Maya folgte ihm in den langen Tunnel, der zu den Gleisen führte. Alles in Ordnung, dachte sie. Wir sind in Sicherheit. Dann bemerkte sie, dass sich Männer in Rot in den Tunnel gedrängt hatten und neben ihnen herliefen. Einer von ihnen hielt einen Wollstrumpf in der Hand, in den etwas Schweres gestopft war – Steine, Eisenkugeln –, und er schwenkte ihn wie eine Keule, schlug damit einem alten, direkt vor Maya gehenden Mann die Brille aus dem Gesicht und brach ihm die Nase. Ein paar der Hooligans schleuderten einen Chelsea-Fan gegen die Metallstangen am linken Rand des Tunnels. Der Mann versuchte, ihren Schlägen und Tritten zu entkommen. Weiteres Blut floss. Und kein Polizist in
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