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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Terrasse zum Strand. Es war Ebbe, und Gabriel stand etwa fünfhundert Meter entfernt am Rand des Wassers, während Hollis auf halbem Weg zum Haus im Sand saß. Er hielt einen in ein buntes Badetuch eingewickelten Gegenstand auf dem Schoß. Maya vermutete, dass es ihre Maschinenpistole war. An diesem friedlichen, abgeschiedenen Ort war ein Harlequin überflüssig. Vicki und Hollis hatten auch ohne sie alles Nötige organisiert. Eigentlich war es ihre Aufgabe, Gabriel zu beschützen, aber stattdessen hatte er sein Leben riskiert, um sie durch die Tunnel in Sicherheit zu bringen.
    Gabriel trug Jeans und ein dunkles Sweatshirt. Er wandte sich vom Meer ab und schaute zum Haus. »Er hat uns gesehen«, sagte Vicki.
    Maya fühlte sich, eingewickelt in die Decke, wie ein kleines Kind, als die beiden Männer quer über den Strand stapften und die Stufen zur Terrasse emporstiegen. Während Gabriel am Geländer stehen blieb, kam Hollis grinsend auf sie zu. »Maya! Wie geht’s? Wir dachten, dass du ein paar Tage durchschlafen würdest.«
    »Es geht mir gut. Wir müssen Linden verständigen.«
    »Das hab ich schon von einem Internetcafé in Boston aus getan. Er schickt an drei verschiedene Orte in Neuengland Geld.«
    »Hat er sonst noch etwas mitgeteilt?«
    »Ja, der Kontakt zu Sparrows Sohn ist abgebrochen. Offenbar haben die Tabula herausgefunden, dass er –«
    Vicki unterbrach ihn. »Komm, lass uns Kaffee kochen, Hollis.«

    »Ich will aber gar keinen.«
    »Andere vielleicht schon.« In Vickis Stimme klang ein Unterton mit, der Maya an den sanften Druck einer Hand erinnerte. Hollis verstand den Wink.
    »Ach so. Natürlich. Kaffee.« Hollis warf Gabriel einen kurzen Blick zu, dann folgte er Vicki ins Haus.
    Nun waren sie allein, aber Gabriel schwieg noch immer. Ein Schwarm Seevögel tauchte am Himmel auf, formierte sich und sank langsam zur Erde hinab.
    »Dr. Lewis hat gesagt, dass du in etwa einem Monat wieder normal laufen kannst. Zum Glück hat die Kugel den Knochen nicht getroffen.«
    »So lange können wir nicht hier bleiben.«
    »Vicki steht in Kontakt zu anderen Jonesies, und Hollis kennt etliche Leute aus der Kampfkunstszene. Es wird bestimmt kein Problem sein, uns zu verstecken, bis wir falsche Ausweise haben.«
    »Anschließend sollten wir das Land verlassen.«
    »Tja, ich weiß nicht. Die Menschen glauben zwar, dass man sich auf einer tropischen Insel oder in einer Höhle in den Bergen verstecken kann, aber diese Zeiten sind vorbei. Ob es uns passt oder nicht – völlige Abgeschiedenheit gibt es nicht mehr.«
    »Die Tabula werden nach dir suchen.«
    »Ja. Und mein Bruder wird ihnen dabei helfen.« Gabriel setzte sich neben sie. Er wirkte müde und traurig. »In unserer Jugend hatte ich immer das Gefühl, dass Michael und ich gemeinsam gegen den Rest der Welt kämpften. Ich hätte alles für ihn getan. Ich habe ihm blind vertraut.«
    Maya dachte an ihren Traum – an die Traurigkeit ihres Vater  – und ließ es zu, dass sie Mitleid für einen anderen Menschen empfand. Sie streckte Gabriel die Hand entgegen. Er nahm sie und hielt sie fest umklammert. Ein neues Gefühl breitete sich in ihr aus. Glück war es nicht. Nein, Glück war
eine flüchtige Illusion. Der Schmerz in ihr verschwand, und ihr schien, als hätten sie beide eine Mitte, eine Beständigkeit, ein Ganzes geschaffen.
    »Ich weiß nicht, ob mein Vater noch lebt, und Michael hat mich an den Feind verraten«, sagte er, »aber ich spüre, dass es zwischen uns beiden eine Verbindung gibt. Du bist mir wichtig, Maya.«
    Er starrte sie eine Weile an, ließ dann ihre Hand los und stand rasch auf. Die körperliche Nähe schmerzte. Es kam ihr so vor, als hätten sie eine Grenze überschritten.
    Gabriel ging allein wieder zum Strand hinunter, und Maya versuchte, ihrer Gefühle Herr zu werden. Wenn sie diesen Traveler beschützen wollte, dann durfte sie nicht zulassen, dass er ihr etwas bedeutete. Emotionen machten Menschen unentschlossen und verletzbar. Wenn sie sich diese Schwäche erlaubte, würde sie ihn womöglich für immer verlieren.
    Hilf mir , dachte sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben betete sie. Bitte, hilf mir. Sag mir, was ich tun soll .
    Plötzlich spürte sie, wie sich in ihr ein Gefühl der Stärke regte. All die Zweifel, die sie in London empfunden hatte, waren fort. Maya wusste, wer sie war: ein Harlequin. Ja, es würde schwierig werden, aber sie würde bei Gabriel bleiben.
    Sie hob den Kopf und blickte aufs Meer hinaus. Die Seevögel waren noch
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