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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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und ich fliege in einer Stunde nach Kairo, sehr beschädigt, wie du siehst. Ich bitte dich inständig, übernimm bitte diesen Fall für mich. Ich wäre dir mehr als nur verbunden, denk an unsre heilige Freundschaft. Ich schreibe dir einen Barscheck aus für Kosten und Nebenkosten aller Art.

 
    9 Ich sah die Zahl auf dem Scheck, und mir gingen die Augen über.
    Ganz gewiss ein psychosomatisches Symptom. Wo ist der Köter, fragte ich.
    Der Köter, sagte der verschnupfte Therapeut kühl, heiße Elvira Tamara von Ilsenburg-Hatzfeld, und ihr Stammbaum wurzele im sechzehnten Jahrhundert.
    Curtius ging jetzt eilig durch alle Praxisräume und stopfte diverse Papiere in das geöffnete Maul einer Reisetasche.
    Franz, sagte ich, immer an seinen Fersen, dein Zustand, dieses Gerotze, der chronische Schnupfen, die roten Augen, die zyklischen Hustenanfälle, dein ganz unstilisiertes Asthma, dein präagonales Geröchle – wie heißt zur Hölle dein gottverdammtes Syndrom?
    Erschöpfung, mein Lieber, nichts von Bedeutung. Muss los. Frau Horak soll mir ein Taxi bestellen. Der Windhund und seine Millionärin kommen gleich. Lass dir was einfallen. Die sind beide multimorbide. Die Wüste ruft.

 
    10 Die Tiertherapie gehört zu den Geschäftsideen, die man nicht jedermann empfehlen kann.
    Schwer verdientes Geld, viele inkontinente und malcontente Tiere. Was man in diesem Job braucht, sind ein philanthropischer Charakter, Disziplin und Selbstüberwindung, wie sie schon von den alten Griechen gepredigt wird, von Antisthenes bis Zenon.
    Psychisch verwirrte Tiere sind nicht viel anders als wir.
    Das hätte ich mir denken können.
    Aber in den Talsohlen pekuniärer Bedrängnis verliert man leicht den Überblick.
    Die Affäre mit dem Windspiel, der edlen Barsoi-Hündin Elvira Tamara, und ihrer Herrin Larissa war lukrativ, aber eine Wiederholung nicht wünschenswert.
    Die Dame und ihr Hündchen erschienen pünktlich, begleitet von einem Chauffeur in schwarzer Lederkluft, der führte den Hund … ein Tier … dieser Barsoi, das mich stark an ein exotisches Insekt erinnerte – dürre Beine, Wespentaille, mit dem Brustkorb eines Herkules und der Kopf … lang gestreckter Schädel wie von Brancusi oder Zadkine, entworfen in einer hoffnungslosen Nacht; freilich aristokratisch irgendwie, erhabene Rasse, schwarze sensitive Nüstern, safranfarbenes Fell, der Bart leicht meliert, und die dunklen Augen quollen recht lebhaft und wurden nur dann glasig, wenn sich die Fürstin mit dem rechten Hinterlauf am linken Hinterlauf kratzte, ein Akt, der ihr beinahe die Balance raubte. Der Köter sah ein bisschen degeneriert aus, aber ich erinnerte mich meiner Ahnen und behandelte ihn mit Achtung.
    Weder bei Mensch noch Tier hatte ich je eine so perfekte Vollendung einer degenerativen Form gesehen wie bei dieser Dame; ich meine natürlich Elvira Tamara und nicht meine erste Klientin.
    Die war ein wohlgeformtes dickes Weibchen mit einem schönen Gesicht, rotem Haar und dunklen Augen. An jedem ihrer fetten Finger trug sie Ringe mit Brillanten. Eine kostbare Erscheinung. Sie bellte den Chauffeur an, der Chauffeur nahm Platz und bellte zurück. Ich unterschied im harten Idiom immer eine Lautfolge, die wie Tschjort wasmí oder so ähnlich klang.
    Ich sah gut aus – weißer Kittel, ernste Miene, um den Hals ein Stethoskop, in der linken Hand das Notizbuch.
    Sie reichte mir aus ihrer Tuchfülle von Escada die Fingerspitzen, die ich als Kavalier natürlich nur auf Distanz küsste.
    Ein Therapeut von Rang sollte niemals sofort zur Sache kommen. Der Patient muss das Problem erklären; aus dem referierten Notfall zieht man seine Schlüsse und wartet ab.
    Ich richtete also meinen klinischen Blick auf beide Damen.
    Ist Folgendes, sagte die Dame, dieses Tier ist edel von Geburt, aber schwanger. Aber Schwangerschaft gebührt dieser Rasse nicht, weil ist zu kostbar. Vorfahren liegen in Wurzel leicht vor Große Katharina. Nun hat Deutscher geschändet bei Spaziergang in Grunewald meine süße Elvira in Hof von Jagdschloss. War Doggentier! Ist meine Schuld, aber sie lässt geschehen hinter meinem Rücken FickFick, a tergo! Dabei edles Tier, viel zu zart für Deutsch-Dogge. Darf nicht austragen Bastarde. Nun ich bitte, was tun, bitte.
    Die Hündin setzte sich auf die Hinterkeulen und warf mir einen seelenvollen Blick zu. An der Rezeption rauschte Frau Horaks PC. Der Chauffeur laborierte an Magen- und Darmgeräuschen unklarer Genese.
    Was tun?
    Madame, sagte ich, auch eine
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