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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Schöller so sorgfältig zu Anfang hintereinander hielt, Pik-, Herz- und Karo-Buben waren. Dazu kamen vier andere Trümpfe. Günther Ichtenhagen tippte auf Pik. Die restlichen drei Karten gehörten nicht zusammen, waren sozusagen Abfall. Bestimmt würde er die letzten zwei gegen den Skat austauschen, falls er ans Spiel kam.
    Kaum hatte Günther Ichtenhagen achtzehn gesagt, maulten hinten bereits wieder die Fernsehgucker:
    „Nicht so laut!”
    Er begriff nicht, warum diese Leute in die Kneipe gingen. Fernsehen konnten sie zu Hause billiger und bequemer. Ihn störte es nicht, wenn der Fernseher lief. Aber dass sie jetzt nur noch flüstern durften, damit die ihren Krimi verfolgen konnten, sah er überhaupt nicht ein. Wie jeden Samstag rief er auch jetzt zum Fernsehtisch:
    „Ihr kriegt noch einen viereckigen Kopf! Verlasst euch darauf!”
    Die Fernsehgucker ließen sich dadurch natürlich nicht beeindrucken, sondern winkten nur gelangweilt ab.
    Gegen einundzwanzig Uhr, Günther Ichtenhagen lag bereits mit zweihundertzehn Punkten vorn, betrat Hans Wirbitzki noch unausgeschlafen das Lokal, schielte kurz zu seiner Frau, nickte ansatzweise und setzte sich zu seinen Freunden. Hanne Wirbitzki bediente ihren Mann scheinbar wie alle anderen Gäste. Vielleicht musste man so viel Menschenkenntnis haben wie Günther Ichtenhagen, um zu sehen, dass sie das Bierglas vorwurfsvoll vor Hans Wirbitzki auf den Deckel setzte, und dass er mit einem gewissen triumphierenden Trotz trank.
    Er hatte wie immer schwarze Ränder unter den Fingernägeln. Wenn er gab und aussetzte, spielte er mit dem Skat. Meist bog er die zwei Karten, bis sie fast knickten, zu einer Tüte und schälte sich mit dem spitzen Ende den Dreck unter den Fingernägeln weg. Günther Ichtenhagen fand das abstoßend. Es hatte deswegen schon mehrfach Streit gegeben. Wenn er seinen Skatbruder zurechtwies, führte er nur die Spielkarten ins Feld, die schließlich dabei beschädigt wurden. Seinen Ekel verschwieg er.
    Martin Schöller nannte das: „Hans zinkt schon wieder die Karten.”
    Hans Wirbitzki zuckte dann jedes Mal zusammen, ließ die Karten auf den Tisch klatschen und versuchte, seine Hände zu verstecken. Im Laufe des Abends vergaß er den Zwischenfall aber und begann erneut mit dem Reinigen seiner Fingernägel. Dann benutzte er entweder Streichhölzer oder die Kanten von Bierdeckeln.
    Punkt zweiundzwanzig Uhr kam die Ziehung der Lottozahlen. Jetzt rief Hermann Segler zu den Fernsehguckern:
    „Macht doch mal lauter!” Dabei drehte er sich nicht zum Apparat um, sondern sortierte weiter seine Karten. Er hatte ein Bombenblatt in der Hand.
    Auch Wolfhardt Paul sah keinen Grund, das Spiel zu unterbrechen. Mindestens ein Kontra war bei seiner Karte drin. Günther Ichtenhagen glaubte ohnehin nicht an einen Lottogewinn. Er frotzelte nur mit Martin Schöller:
    „Na, hast du endlich bezahlt, mein Kleiner? Ich fürchte, sonst bist du gleich nicht bei den glücklichen Gewinnern.”
    Dann sah er wieder in seine Karten.
    Hans Wirbitzki zog den Lottoschein aus der Tasche und ging zum Fernseher. Er musste sowieso aussetzen.
    Wenn nicht so ein spannendes Grand Spiel gelaufen wäre, hätten sie vielleicht bemerkt, dass Hans Wirbitzki noch nervöser zu seiner Frau Hanne hinüberschielte als sonst. Der Lottoschein brannte fast in seinen Fingern. Er hatte Mühe, ihn festzuhalten und sich nichts anmerken zu lassen. Schon nachdem die dritte Kugel gefallen war, wusste er, dass sie drei Richtige hatten und spürte den heißen Hauch des Glücks. Auch die nächste Kugel würde eine ihrer Zahlen aufweisen. Er ahnte es. Und tatsächlich, da war sie!
    Später schilderte er den anderen diese Situation immer wieder aufs Neue. Er wusste, dass die nächste Kugel für sie fallen würde! Und er fasste bereits den Entschluss, in der Kneipe kein Wort zu sagen.
    Nicht weil er zu knauserig war, von dem Geld einen auszugeben, nein, er hatte Angst, sein Anteil würde gleich von seiner Frau übernommen, die damit sicherlich etwas sehr Vernünftiges anzufangen wusste, und genau das wollte er verhindern.
    Das Wort zum Sonntag lief schon, als die anderen immer noch nichts von ihrem Gewinn ahnten.
    Günther Ichtenhagen bekam die Punkte aufgeschrieben. Hans Wirbitzki trank sein Bierglas leer.
    „Ich muss mal an die frische Luft.”
    „Ist dir schlecht? Soll ich mitkommen?”
    „Wenn du willst.”
    Martin Schöller protestierte laut:
    „Hey, hey, hey, ihr könnt jetzt nicht abhauen! Wir sind mitten im Spiel!
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