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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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das gar nicht. Wir sind nämlich eine Tippgemeinschaft. TG steht auf jedem Lottoschein. TG Lindestammtisch.”
    Hanne Wirbitzki brachte drei Bier und lästerte:
    „Man soll das Fell des Bären nicht verkaufen, bevor man ihn gefangen hat. An deiner Stelle würde ich jetzt gar nichts mehr bezahlen, Martin. Rechne mal aus, was du da im Laufe deines Lebens sparst, wenn du jede Woche den Einsatz zur Sparkasse bringst, statt ihn zu verspielen.”
    „Wo bleibt Hans eigentlich”, fragte Günther Ichtenhagen nicht ohne Sorge in der Stimme. Wenn es Hans wirklich schlecht gegangen wäre, hätte Hanne sicherlich schon etwas gesagt, statt hier Witzchen zu machen; aber seit Günther Ichtenhagen seinen Körper und seine Gesundheit genauer beobachtete, machte er sich auch um andere Leute größere Sorgen.
    Hans Wirbitzki war vor mehr als zehn Jahren nach Ichtenhagen gezogen. Jeder kannte seine Geschichte. Er kam aus dem Bergbau. Aus dem Ruhrgebiet. Die Zeche, in die er achtzehn Jahre lang, ohne ein Mal unpünktlich zu sein, eingefahren war, hatte dichtgemacht. Die billigen Wohnungen auf dem Land und der Sozialplan ermöglichten es Hans Wirbitzki und seiner Frau Hanne, nach Ichtenhagen zu ziehen.
    Günther Ichtenhagen beneidete Hans Wirbitzki oft um seine fleißige, aktive Frau. Wochentags arbeitete sie in der Kreisstadt als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft, abends besuchte sie die anderen Frauen im Dorf – sehr zum Leidwesen von deren Männern, denn sie war Avon-Beraterin und verließ kaum einen Haushalt ohne Seifen, Wässerchen und Pülverchen mitsamt einer gesalzenen Rechnung dazulassen.
    Samstags und sonntags kellnerte sie in der Linde, und so waren die Wirbitzkis gemessen an ihrem Besitzstand in Ichtenhagen zwar Habenichtse, doch jeder erkannte den Fleiß der Frau an, die zusätzlich noch ihren ständig kränkelnden Ehemann versorgte.
    Seit der Bergbaukrise arbeitete Hans Wirbitzki nicht mehr. Wenn er von seiner früheren Arbeit redete, dann mit den Worten: „Der Scheiß Pütt”.
    Der war überzeugt davon, seine Gesundheit unter Tage gelassen zu haben. Trotz der frischen Luft hier in Ichtenhagen war sein Gesicht grau. Seine Lunge rasselte bei jedem Atemzug. Er nannte es Steinstaub, und obwohl er Schleim aushustete, rauchte er abends beim Skat Zigarren. Sechziger Fehlfarben.
    „Der guckt noch die Sportschau”, beruhigte Hanne die Skatspieler.
    „Schon vorbei”, bemerkte Martin Schöller, der immer erst nach der Sportschau in die Linde kam.
    Hanne Wirbitzki schien dadurch nicht im Geringsten beunruhigt, sie wischte sich die biernassen Finger an der Schürze ab und sagte gleichgültig:
    „Vielleicht ist er wieder vorm Fernseher eingeschlafen. Das passiert in letzter Zeit immer öfter.”
    Hermann Segler wollte noch etwas zu ihr sagen, aber aus der Küche rief man bereits wieder nach ihr.
    „Hanne! Wo bleibst du denn? Der Salat wird welk!”
    Mit diesem Standardwitz wurde sie samstags, wenn die Geschäfte gut gingen, mindestens zwanzigmal in die Küche zitiert.
    Wolfhardt Paul stampfte herein, wie es sich für einen bodenständigen Landwirt gehörte. Er war immer noch stolz darauf, Bauer zu sein, obwohl er längst nicht mehr von der Landwirtschaft leben konnte. Aber er hatte nicht verkauft wie so viele andere. Er verpachtete seine Wiesen auch nicht, und er vermietete sie nicht als Campingplatz an Touristen. Das fehlende Kleingeld holte seine Frau bei der Bundespost herein. Sie betrieb die Ichtenhagener Poststation. Er fragte sich immer, wann man diese kleine Station schließen würde. An guten Tagen verkaufte sie zehn Briefmarken. An schlechten gar keine, und die schlechten Tage überwogen. Gäbe es nicht einige Zeitschriftenabonnements, bräuchte der Postbus ihr Dorf an manchen Tagen gar nicht anzufahren. Vorigen Winter, als der Schnee kniehoch lag und seine Frau mit einer bösen Grippe zu kämpfen hatte, ließ er sich von ihr breitschlagen und trug morgens im Dorf zwei Pakete aus. Seitdem fanden es einige Leute lustig, ihn „Herrn Oberamtmann” oder „unseren Postillion” zu nennen, was ihn fuchsteufelswild machen konnte.
    Er war Bauer und kein Postbote!
    Hermann Segler hob ab, und Martin Schöller gab. Drei, zwei, drei, zwei. Günther Ichtenhagen fand das nicht korrekt. Er gab vier, drei, drei. Er fand, das gehöre sich so.
    Dann sah er zu, wie Martin Schöller seine Karten auffächerte und zusammensteckte. Da er selbst den Kreuz-Buben hatte, gehörte nicht viel dazu zu ahnen, dass die drei Karten, die Martin
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