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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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gewesen, etwas für ihn zu tun. Außerdem hätte Kas, wenn etwas Derartiges gewünscht worden wäre, den Stock nicht im unklaren gelassen.
    Es gab viele Bänder über Geschichte, von denen sie ausgehen konnte, aber die waren so viel benutzt, und auch die Zukunft war bereits überstrapaziert worden. Tamisan zog die Brauen über den geschlossenen Lidern zusammen. Abgedroschen! Alles, was ihr einfiel, war so abgedroschen! Aber weshalb machte sie sich überhaupt solche Gedanken? Irgendwie fraß der Ehrgeiz an ihr, einen Traum aufzubauen, der Starrex, wenn sie ihn endlich vorführen durfte, aus seiner Gleichgültigkeit riß und ihm beweisen würde, daß sie ihre Einstufung verdiente. Möglicherweise lag es auch daran, daß er sie immer noch nicht hatte rufen lassen, um ihre Qualifikation zu prüfen, denn bedeutete das nicht vielleicht, daß er glaubte, sie habe ihm ohnehin nichts von Interesse zu bieten?
    Sie hatte das Recht, sich uneingeschränkt der Bandbibliothek des Stockes zu bedienen, und sie war die umfassendste aller bekannten Welten. Es wurden sogar eigens Schiffe ausgeschickt, nur um neue Erkenntnisse zurückzubringen, die die Phantasie der Träumerinnen anregen mochten!
    Geschichte … Immer wieder wandten ihre Gedanken sich in diese Richtung – obwohl die Geschichte zu abgenutzt für ihre Zwecke war. Was war Geschichte eigentlich? Eine chronologische Reihe von Ereignissen, von Handlungen einzelner oder von Nationen. Handlungen führten zu Ergebnissen. Resultate einer Tat! Manchmal hatte eine einfache Tat weitreichende Folgen – unvorhersehbare Folgen, wie sie beispielsweise durch den Tod eines Herrschers ausgelöst werden konnten, oder den Ausgang einer Schlacht, oder die Landung eines Sternenschiffs, oder das Ausbleiben eines Sternenschiffs …
    Die Geschichte hätte so viele verschiedene Wege, andere Wege als die bekannten nehmen können. Wäre das nicht ein Ausgangspunkt? Es gäbe unzählige Möglichkeiten! Plötzlich ärgerte sich Tamisan nicht mehr darüber, daß Lord Starrex sie immer noch nicht hatte rufen lassen. Jetzt würde sie für jede Minute dankbar sein, die ihr zur Vorbereitung blieb.
    »Porpae! Ich brauche bestimmte Bänder aus dem Stock. Laß dir von der Ziehmam alle Bänder über die Geschichte Ty-Krys der vergangenen fünfhundert Jahre für mich geben.«
    Sie würde die Geschichte dieser Stadt nehmen, in der sich der Himmelsturm Lord Starrex’ befand. Es war ein bescheidener Anfang, aber so konnte sie ihre Idee testen und immer wieder testen. Heute also erst einmal eine bestimmte Stadt, morgen vielleicht schon eine Welt, und wer weiß, was dann kam? Ein ganzes Sonnensystem möglicherweise? Tamisan zügelte ihre Aufregung. Es gab sooo viel zu tun! Sie brauchte einen Notizenrecorder und – Zeit. Aber bei den vier Brüsten Vlastas, wenn sie es schaffte …
    Sie würde vermutlich genügend Zeit haben, doch von nun an verließ die leise bohrende Angst, daß sie jeden Augenblick zu Lord Starrex gerufen würde, Tamisan nie mehr völlig. Aber die Bänder und der Recorder kamen und sie konnte sich ungestört Notizen machen, die sie fieberhaft studierte, nachdem sie die Bänder zurückgegeben hatte. Jetzt sah sie in ihrer Idee mehr als nur einen Einfall, einen schwierigen Herrn zu unterhalten. Sie beschäftigte sie so sehr, als wäre sie eine niedrige Träumerin, die völlig von ihrer eigenen Schöpfung gefangen war.
    Als Tamisan die Gefahr darin erkannte, brach sie ihre Studien ab und widmete sich wieder den Hausbändern, um soviel wie möglich über Starrex zu erfahren.
    Doch sie befaßte sich gerade erneut mit ihren Notizen, als sie endlich zu Starrex gerufen wurde. Wie lange sie sich bereits hier im Turm aufhielt, wußte sie nicht, denn in ihrem Kuppelzimmer waren Tag und Nacht gleich. Sie verdankte es lediglich Porpae, daß sie regelmäßig gegessen und geschlafen hatte.
    Lord Kas kam sie holen. Sie hatte gerade noch Zeit, sich an ihre Rolle als benommene Träumerin zu erinnern, als er eintrat.
    »Geht es dir gut? Bist du glücklich?«
    »Ich genieße das angenehme Leben.«
    »Es ist Lord Starrex’ Wunsch, sich in einen Traum zu begeben.« Kas griff nach ihrer Hand, und sie duldete es. »Er verlangt viel, also biete ihm dein Bestes, Träumerin.« Es klang fast, als warnte er sie.
    »Eine Träumerin träumt«, antwortete sie vage. »Was geträumt wird, kann miterlebt werden.«
    »Gewiß, aber Lord Starrex ist nicht leicht zufriedenzustellen. Also gib dein Bestes, Träumerin.«
    Sie schwieg.
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