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Trapez

Trapez

Titel: Trapez
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Mal die Finger um die raue Oberfläche der Stange legte, hielt er fasziniert den Atem an. Mario sagte: »Du weißt , wie man ins Netz fällt, oder?«
    »Sicher«, sagte Tommy mit dünner Stimme. »Man muss auf den Rücken fallen, das ist alles.«
    »Na, wie wär’s? Willst du einen Schwung versuchen?«
    Tommy war sich nicht sicher, ob es der Flieger ernst meinte. »Ehrlich, darf ich?«
    »Irgendwann mu ss t du es ja lernen. Na los!«
    Es sah plötzlich sehr weit aus bis unten. Und das Netz schien viel zu klein und dünn.
    »Na los«, sagte Mario. »Du kannst höchstens ins Netz fallen. Jetzt!«
    Tommy ergriff die Stange und sprang von der Plattform. Er erinnerte sich daran, was sie beim Ausschwingen machten und stieß sich mit beiden Fü ss en ab, den Körper gewölbt. Er schaffte es mit dem Trapez weit nach vorn zu schwingen, aber am Ende des Bogens verzogen sich die Seile und seine Hände begannen zu rutschen. Er lernte später, wie die Artisten sie mit Harz einrieben. Er drehte sich krampfhaft und schaffte es, genug Schwung für den Rückweg zu kriegen. Er verpa ss te die Plattform und das zurückfallende Trapez schwang ihn wieder hinaus.
    »Keine Angst«, rief Mario. »Kannst du umgreifen und dich hierher drehen? Wenn nicht, warte, bis du ausschwingst und la ss dich ins Netz fallen.«
    Er hatte diese freischwebende Drehung ein Dutzendmal an einem drei Meter hohen Trapez gemacht. Der Vorwärtsschwung trug ihn bis zum Ende des Bogens und er schaffte es irgendwie, seine rutschigen Hände umzudrehen, so dass er der Plattform zugewandt war. Als der Schwung der Stange ihn zurücktrug, sprang er auf die Plattform zu, landete neben Mario, stieß dabei das Trapez wild zur Seite und griff mit ungeschickter Eile nach den Seilen.
    »Langsam, langsam!« Mario fing ihn auf. »Das Netz ist ja noch da, aber du hast es zurückgeschafft. Ich dachte, du mü ss test loslassen – fast jeder tut das, beim ersten Mal . Ich auch. Ich hab’ auch losgelassen und hing an einem Arm – fast hätte ich ihn ausgekugelt.« Er grinste bei dem Gedanken. »Pa ss mal auf. Du kommst hier vorbei, so vier-, fünfmal die Woche, nachdem wir morgens alles aufgebaut haben – und ich zeig’ dir wie’s geht. Aber werd ‘ nicht ungeduldig.«
    Das war vor einigen Monaten gewesen und es war nicht ganz so einfach. Seine Mutter war totenbleich geworden, als Tommy in den Wohnwagen der Familie Zane stürmte und mit der Neuigkeit herausplatzte. Er hätte die neuen Flieger kennengelernt und einer von ihnen sagte, er würde es ihm beibringen. Hätte ihn sogar aufs Trapez gelassen.
    »Ich habe diesem jungen Mann etwas zu sagen«, zischte sie, als sie das Geschirr in der Spüle auftürmte.
    Tom Zane, der sich gerade seine Pfeife nach dem Essen anzündete, hatte es gelassener aufgenommen.
    »Beruhig dich, Beth. Du weißt doch, dass er schon als kleines Kind verrückt nach der Fliegerei war. Und er hat so viel gelernt, wie Margot ihm beibringen kann. Ich wollte Tonio Santelli fragen, ob er ihm nicht…«
    »Aber sieh mal, Tom, er durfte Akrobatik lernen, auf Schwingleitern arbeiten, Luftballett. Aber das Fliegertrapez? Tom, das ist zwanzig Meter hoch! Ein Ausrutscher…«
    »Mutter …«, sagte Tommy und fühlte wieder, wie sich der Knoten in ihm festzog. »Sie benutzen ein 13 Meter hohes Trapez. Die Leute in den oberen Reihen sitzen fast so hoch. Und sie haben ein Netz.«
    »Sieh mal Beth, ich kenne die Santellis. Tonio ist schon geflogen, bevor du und ich auf der Welt waren. Keiner von ihnen würde Tommy auch nur in die Nähe des Trapezes lassen, wenn sie nicht bereit wären, sich um ihn zu kümmern. Es überrascht mich, dass sie sich überhaupt die Mühe machen. Normalerweise arbeiten sie mit der Familie und nehmen keine Fremden dazu. Wer war es, Tommy? Der alte Antonio?«
    »Nein, der Junge. Der, den sie Mario nennen.«
    »Sieh mal«, sagte Beth Zane. »Vielleicht ist der Alte in Ordnung, aber ein Kind? Ist er alt genug, um zu wissen, was er tut?«
    »Er ist gar kein Kind mehr«, sagte Tom. »Alt genug, um einberufen zu werden, glaube ich – zwanzig oder einundzwanzig. Ich weiß , dass er seit Jahren mit ihnen arbeitet. Und er ist sehr gut. Sie waren früher beim Zirkus Starr.«
    »Was um alles in der Welt machen sie dann bei einem Waldund Wiesenzirkus wie Lambeth?«
    »Es gab da einen Unfall in den dreißiger Jahren und die Familie trennte sich für eine Weile«, sagte Tom Zane.
    »Ich kenne nicht alle Einzelheiten.« Sein Gesicht hatte einen Ausdruck, den
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