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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt
Autoren: Jayne Ann Krentz
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Diesen Begriff reservierte er normalerweise für andere Interessensgebiete. Eine Diskussion über die Leibnizsche These zur Wahrscheinlichkeitsberechnung war aufregend. Charles Babbages Konstruktionspläne eines mechanischen Computers zur maschinellen Zahlenanalyse waren aufregend. Die Anmerkungen von Boole zur Symbollogik waren aufregend.
    Heute abend erkannte Harry ohne den Schatten eines Zweifels, daß er Molly Abberwick ebenfalls auf die Liste der Dinge setzen mußte, die er aufregend fand. Dieses Wissen verursachte nun doch ein tiefes Unbehagen in ihm, obwohl es seinen Hunger nach ihr vergrößerte. »Es tut mir leid, daß Sie glauben, ich wäre schwierig«, sagte er.
    »Nicht schwierig, sondern unmöglich. «
    Harry räusperte sich. »Finden Sie nicht, daß Sie meine geschäftlichen Entscheidungen etwas zu persönlich nehmen?«
    »Und Sie nehmen die Dinge nicht zu persönlich, wenn Sie die Konstruktionspläne dieses armen Duncan Brockway ›Humbug‹ nennen«?
    »Vergessen Sie Brockways Erfindung. Ich habe nur getan, wofür Sie mich bezahlen, Molly.«
    »Tatsächlich? Nun, dann berechnen Sie eindeutig ein zu hohes Honorar.«
    »Das tue ich nicht. Sie reagieren nur übertrieben.«
    »Übertrieben? Übertrieben?« Molly hatte den Küchentresen aus Granit erreicht. Sie fuhr herum und bewegte sich in die Gegenrichtung. »Ich gebe zu, daß ich die Nase voll habe. Wenn Sie das eine übertriebene Reaktion nennen – in Ordnung. Aber das ändert nicht das geringste. Unsere Beziehung entwickelt sich absolut nicht in die von mir gewünscht Richtung. Was für eine Enttäuschung. Was für eine Zeitverschwendung.«
    »Wir haben keine Beziehung«, sagte Harry, durch die Zähne gepreßt. »Wir haben eine Geschäftsverbindung.«
    »Nicht mehr«, verkündete Molly triumphierend.
    Wie aus dem Nichts senkte sich die drohende, dunkle Empfindung über Harry. Er hätte seinem glücklichen Stern danken sollen, dem Verhängnis gerade noch rechtzeitig entkommen zu sein, dachte er. Eine Beziehung mit Molly hätte niemals funktioniert. Doch statt erleichtert zu sein, spürte er einen Anflug von Verzweiflung. Er erinnerte sich an den Tag, als Molly sein Arbeitszimmer zum erstenmal betreten hatte. Sie hatte erläutert, daß sie ihn als Berater für die Abberwick-Stiftung engagieren wolle. Die Stiftung war von ihrem Vater eingerichtet worden, um begabten Erfindern, die kein Geld für ihre Entwicklungen erwarten konnten, finanzielle Unterstützung zu gewähren. Jasper Abberwick hatte die Nöte solcher Menschen nur allzugut gekannt. Er und sein Bruder Julius hatten die größte Zeit ihres Lebens unter finanziell schwierigen Verhältnissen arbeiten müssen. Ihre Finanznöte fanden erst vor vier Jahren ein Ende, als es Jasper gelang, eine neue Generation von Industrierobotern zum Patent anzumelden.
    Jasper konnte den neuen Reichtum nicht mehr lange genießen. Er und sein Bruder Julius kamen vor zwei Jahren bei einem tödlichen Unfall ums Leben, als sie mit ihrer letzten Schöpfung dem Prototypen eines von Menschenkraft angetriebenen Fluggerätes, experimentierten.
    Es dauerte ein Jahr, um die Abberwick-Stiftung einzurichten und arbeitsfähig zu machen. Molly hatte das Geld geschickt investiert und wollte nun endlich Stipendien für Erfinderprojekte ausschütten. Als einzige Treuhänderin der Stiftung hatte sie eine große Bandbreite an Problemen zu bewältigen. Für die meisten war sie fähig genug, vor allem, was die finanziellen Entscheidungen betraf. Aber im Unterschied zu ihrem Vater war sie Geschäftsfrau, keine Ingenieurin oder Naturwissenschaftlerin. Doch die Beurteilung der Finanzierungsanträge verzweifelter Erfinder erforderte ein großes Wissen im Bereich der Grundlagenforschung und Kenntnisse über die abwegigsten technologischen Anwendungsfragen. Außerdem benötigte man historisches Verständnis. Entscheidungen auf dieser Basis konnten nur von einem geschulten Experten getroffen werden. Die Abberwick-Stiftung brauchte die Dienste eines Spezialisten, der ein Vorhaben nicht nach den Chancen einer baldigen industriellen Anwendung beurteilte, sondern nach dem langfristigen Nutzen einer Erfindung fragte. Außerdem suchte sie jemanden, der die Scharlatane und Betrüger aussortierte, die profitable Stiftungen wie hungrige Haie umlauerten.
    Molly besaß beeindruckende Fähigkeiten, wie Harry zugeben mußte, aber sie verfügte über kein überzeugendes technisches Hintergrundwissen. Jährlich konnte sie eine halbe Million Dollar ausgeben,
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