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Totgelebt (German Edition)

Totgelebt (German Edition)

Titel: Totgelebt (German Edition)
Autoren: Karin Hagemann
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Wochenende. Klingt das nicht gut?“ Paula nickte. Gemeinsam verließen sie das Büro und gingen zum Italiener um die Ecke.
     

4. Kapitel
     
    Er loggte sich ein. Seine Augen flogen über die ersten Zeilen. Er suchte nach den Schwachen, den Verlassenen, den Einsamen. Ihr armen verwunschenen Seelen, ihr gescheiterten Kreaturen. Wortfetzen brannten sich bei ihm ein. Bei einigen Worten verharrte er, las den ganzen Text. Mein Gott, was hat man e uch nu r angetan. Erlösung. Ich werde e uch erlösen. Seine Augen huschten über die Zeilen, fieberhaft suchend nach dem Einen, d em Besonderen , der Person, die ihn erhören, die er auserwählen würde. Er hielt inne, sein Atem setz t e aus. Schlagartig wurde ihm heiß, seine Zunge fuhr fiebrig über seine Lippen. Er versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Er zwang sich zur Ruhe und las immer wieder von neuem die Worte, die vor ihm aufflimmerten:
     
    Leon:
    seit einem jahr beschäftige ich mich intensiv mit dem gedanken, einfach schluss zu machen und jetzt wäre wohl der richtige zeitpunkt. irgendwann kann man einfach nicht mehr und da nun meine letzte hoffnung auf ein bisschen glück erloschen ist, fühl ich mich gerade wie ohnmächtig und möchte einfach nur noch umfallen. einfach tot sein. ich frage m ich, wann ist es endlich soweit?
     
    Clarissa:
    Mein Herz rast grad wie wild, ich halte das echt alles nicht mehr aus.
     
    Ben :
    ich will nicht ich sein
    ich will gar nicht sein
    ich will echt nicht mehr
    ich kann nicht mehr
     
    Leon:
    keine lust schlaf en zu gehen, keine lust morgens aufzustehen, keine lust zur schule zu gehen … ist alles so schrecklich und ich fühle mich wie dreck
     
    Sein Blick wanderte wieder nach oben, zu den ersten Zeilen, zu den ersten Worten. All diese gescheiterten Existenzen. Er lachte schrill. Ich werde dir helfen, warte nur ab. Ich habe eine Überraschung für dich, du fühlst dich nicht nur wie Dreck, du bist es vermutlich auch. Leon, du bist ein Stück Dreck, nicht mehr und nicht weniger. Er zwang sich zu Ruhe, überflog noch einmal die Worte von Leon und begann zu schreiben:
     
    Erlöser:
    @Leon: Was ist passiert? Was bricht dir das Herz? Warum gibst du dich selber so auf? Erzähl mir deine Geschichte.
     

5. Kapitel
     
    „Was ist los? Erzähl schon. Ärger mit der Frau?“, erkundigte sich Max bei seiner Kollegin.
    Ärgerlich sah sie ihn an, „Geht es nicht noch ein bisschen lauter? Es könnte ja irgendjemand hier noch nicht mitbekommen haben. Also, du weißt es und ich weiß es und es ist kein Staatsgeheimnis, aber es muss nicht direkt die ganze Polizei der Stadt erfahren, ja? Kannst du deshalb vielleicht etwas leiser sprechen? Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?“ Sie verstummte weil soeben das Essen an den Tisch gebracht wurde. Sie saßen in der kleinen Pizzeria direkt gegenüber der Polizeiwache. Viele ihrer Kollegen aßen an den Nachbartischen ebenfalls zu Mittag. Paula und Max hatten sich zwar ganz nach hinten an einen kleinen Ecktisch zurückgezogen, trotzdem fühlte sich Paula nicht sicher. Sie fühlte sich nie sicher, wenn es um ihr Privatleben ging. Immer wieder macht er das, als ob er Spaß daran hat, dachte Paula schlecht gelaunt. Seit sie ihm an einem Abend bei einem Bier gestanden hatte, dass sie lesbisch war und mit ihrer Freundin Anne schon seit zwei Jahren zusammen wohnte, war ihr Verhältnis deutlich enger, freundschaftlicher geworden. Max hatte sehr gelassen reagiert. Er machte deutlich, dass er sich schon so etwas gedacht hatte: „Mein Gott, so, wie du dich immer windest, wenn es um dein Privatleben geht, denkt doch jeder, dass da was im Busch ist. Ich war mir nur nicht ganz sicher, ob du auf Frauen stehst, oder ob du ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hast. Wobei mir die erste Möglichkeit doch bei weitem besser gefällt.“ Es fühlte sich gut an, montags morgens frei zu erzählen, was sie am Wochenende mit Anne unternommen hatte. Sie genoss es, Max mit nach Hause zum Essen zu nehmen, ihm Anne vorzustellen. Sie genoss es, sich bei Telefonaten mit ihrer Freundin nicht aus dem Zimmer stehlen zu müssen. Anne mochte Max und Max mochte Anne. Sie bereute nicht eine Sekunde, Max die Wahrheit über sich erzählt zu haben, aber er nahm für ihren Geschmack die ganze Angelegenheit zu locker. Er schien manchmal zu vergessen, dass sie ihm vertraute und ihm als Freund etwas sehr Privates anvertraut hatte und sie forderte von ihm darüber absolutes Stillschweigen. Manchmal schien Max ihre Gefühle
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