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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen
Autoren: Birgit Lautenbach
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werden, bevor das Gelände freigegeben wird.«
    »Und was ist mit meinem Bagger?«
    Gute Frage, dachte Pieplow und sah zu Kästner hinüber, der misslaunig »Bleibt erstmal hier« sagte, während er die Nummer des Kriminaldauerdienstes in Bergen wählte.

    Das Gastspiel der Bergener war kurz.
    Sogar an diesem späten Septembernachmittag klemmte Kommissar Sandy Böhm eine Pilotensonnenbrille im Haar. Er trug zu Designerjeans eine noble Lederjacke und begrüßte Pieplow, der ihn im Hafen erwartete, so jovial wie es sich gehört, wenn man sich nicht ausstehen kann.
    »Der Chef ist zur Kur. Drei Wochen Bad Tölz«, kam er Pieplows Frage zuvor, dem der bedächtige Hauptkommissar Schöbel tausendmal lieber gewesen wäre als dieser Klugscheißer. »Ihr werdet also mit mir und dem Kollegen Malek vorliebnehmen müssen.«
    Kopfnicken, Händeschütteln. Malek war in Ordnung, soweit Pieplow sich erinnerte. Einer von denen, die im Windschatten solcher Schaumschläger wie Böhm einfach nur ihre Arbeit taten und sich möglichst aus allem heraushielten.
    Böhm sah sich um. »Wo ist der Wagen?«
    »Oben am Fundort. Es sind nur ein paar Meter. Ich hielt es für besser, unnötiges Aufsehen zu vermeiden.« Das klang professionell und auf jeden Fall besser als: »Ich wollte für eine halbe Stunde meine Ruhe und denke außerdem gar nicht daran, für dich den Chauffeur zu spielen.«
    »Also gut, gehen wir.« Böhm sah demonstrativ auf seine Armbanduhr, damit Pieplow begriff, wie kostbar die Zeit eines Kriminalpolizisten war.
    Pieplow nutzte den Weg an Hitthim und Dornbusch vorbei den Mühlberg hinauf, um Bericht zu erstatten. Böhm streute ein paar Floskeln ein. »Alles klar.« – »Na, wir werden sehen.« Malek stapfte schweigend nebenher.
    Der Tote unter dem Schlesinger-Haus schien ihnen gleichgültig, eigentlich sogar lästig zu sein.
    Dass Kästner mit der Frage begrüßt wurde, seit wann an einem Tatort Versehrtensport betrieben werde, mochte noch hingehen. Genauso wie der Rüffel, den sie dafür bekamen, dass sie den Baggerfahrer hatten nach Hause gehen lassen.
    Doch als Böhm sich zu Rieke Voss umdrehte und mit einer desinteressierten Kopfbewegung Richtung Haus fragte: »Wann wurde das Ding denn gebaut?«, entging ihm, dass ihre Augen schmal wurden und rote Flecken ihren Hals hinauf bis hinter die Ohren stiegen.
    »Weiß ich nicht.«
    »Aber Sie sind die Eigentümerin?«
    »Nicht allein.«
    »Sondern?«
    »Eine Erbengemeinschaft.«
    »Habt ihr Namen und Adressen?« Das galt Kästner und Pieplow. Pieplow schüttelte den Kopf. Weil er noch nicht wusste, wie die Schlesinger-Erben hießen, und weil ihm zu dieser Art von Ermittlung auch sonst nichts einfiel.
    »Kümmert euch darum. Bis morgen brauchen wir die vollständige Liste aller Eigentümer.« Er sah Malek über die Schulter auf dessen Notizblock und diktierte: »Grundbuchamt. Das machen wir. Staatsanwaltschaft sowieso. Spurensicherung und Gerichtsmedizin.« Er sah wieder auf die Uhr, warf einen Blick auf den Graben, an dessen Ende die hellen Knochenspitzen aus der Erde ragten, und verkündete: »Wer immer das ist, er liegt da nun schon so lange, dass von Gefahr im Verzug wohl keine Rede sein kann. Also können wir’s in Ruhe angehen und uns den Aufstand mit Flutlicht und Nachtarbeit schenken. Ihr sichert das noch ab, damit sich heute Nacht nicht irgendwelche Spinner als Hobby-Archäologen betätigen. Morgen früh geht’s dann los. Schätze mal, irgendwann zwischen sieben und zehn.«
    Auf einen Wink von Böhm klappte Malek sein Notizbuch zu und verstaute es umständlich in der Brusttasche seines Parkas. Der Händedruck, mit dem er sich verabschiedete, war fest und kollegial.
    Schade, dass der nichts zu sagen hat, dachte Pieplow, während er dem ungleichen Kriminalgespann nachblickte.

    Pieplow nahm genauer in Augenschein, was Böhm das Ding genannt hatte. Ein Hiddenseer Sommerhaus, abseits der Hauptwege gelegen, in einem großen, dicht bewachsenen Garten zwischen Museum und Gutshof versteckt. Das Strohdach grau geworden durch Salzwind, Sonne und Regen, im scheckigen Putz an der Nordseite moosiges Grün. Es wurde Zeit, dass sich jemand des Häuschens annahm, Fenster und Türen lackierte und nachforschte, woher die Feuchtigkeit kam, die neben der Haustür aufstieg. Die Plane, mit der Pieplow den Graben abgedeckt hatte, und das bis zum Tor gespannte Absperrband machten den Anblick noch trostloser.
    Rieke Voss folgte seinem Blick. »Wir hatten uns gerade geeinigt«, sagte sie. Die
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