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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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Sie sehen erschöpft aus. Sollen wir Sie zu einem Arzt bringen?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf.
    »Also worum ging es bei diesem Streit mit der Reederei?«, fragte Malbek.
    Sie schüttelte wieder den Kopf, begann stockend, immer wieder nach Worten suchend: »Ich weiß nichts. Ich weiß nur, dass er einmal in die Reederei zum Personalchef musste. Aber dann … ich dachte ja, es wäre wieder alles okay. Aber vor einigen Wochen, da sollte er auf ein anderes Schiff und hat hier gewartet, fast eine Woche, da war er komisch, anders.«
    »Wie, anders?«, fragte Harder.
    »Er hat nicht geschimpft, er war nicht wütend, er war still, hat mir nie zugehört.«
    »Was glauben Sie, was mit ihm los war?«, fragte Malbek.
    »Woher soll ich das wissen?«, fragte sie in gereiztem Ton. »Er ist ja oft monatelang auf See. Manchmal drei, vier Monate am Stück. Und wenn er dann nicht da ist, dann weiß ich, er ist unterwegs. Deshalb ist er nicht da. Verstehen Sie, was ich meine? Und dann war er eigentlich da, aber er hat durch mich durchgeguckt. Als ob ich durchsichtig bin.« Sie ballte die knochigen Fäuste. Die Augen wurden feucht. »So etwas brauche ich mir doch nicht gefallen zu lassen! Was meinen Sie? Muss ich mir so etwas gefallen lassen?« Sie beugte sich zu Harder vor, als suche sie seine Zustimmung, zitterte plötzlich und ließ sich ins Sofa zurückfallen.
    »Erzählen Sie uns, was an dem Abend, als Ihr Freund in der Schleuse vom Schiff stieg, passiert ist. Warum haben Sie ihn nicht abgeholt?«, fragte Malbek.
    »Ich hab einen Job als Kellnerin, abends. Er ist allein hierher und wollte sich erst mal ausschlafen. Aber als ich nach Hause kam, war er gar nicht da. Auf dem Handy hat er sich nicht gemeldet.«
    »Er war also nicht hier?«
    »Nein, er war nicht da. Und er war nicht hier. Es ist aus und –«
    »Er war hier«, unterbrach Malbek sie. »Ich habe im Schlafzimmerschrank seinen Seesack gefunden. Sie haben Wäsche darübergeworfen, um ihn zu verstecken.«
    »Ja, kann sein, ist doch egal jetzt. Ich bin müde. Sind Sie bald fertig?«
    »Warum haben Sie den Seesack versteckt? Vor uns?«
    »Ist doch egal. Alles egal jetzt. Ich konnte ihn nicht mehr sehen heute, den Sack, ja, auch er war ein Sack.« Trotzig sah sie die beiden Polizisten an, und im nächsten Moment erschrocken über das, was sie eben gesagt hat. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. Für einen Moment schien es, als ob sie sich erbrechen müsste.
    Malbek atmete tief durch. »Welche Handynummer hatte er?«, fragte er.
    Harder sah seinen Chef genervt an. Lass sie jetzt in Ruhe, hieß das, es reicht doch, und die Handynummer kriegen wir auch so schnell raus. Malbek ignorierte Harders Blick.
    »Ich weiß das nicht aus dem Kopf. Müsste in meinem Handy stehen, das liegt hier irgendwo.« Sie fuchtelte mit der Hand herum.
    »Wir wissen, dass Ihr Freund mit dem Taxi hierhergefahren ist. Vorher hat er telefoniert. Mit Ihnen?«
    »Nein. Außerdem war ich nicht hier, das hab ich Ihnen doch gesagt.«
    »Wie lange kannten Sie sich?«
    »Eineinhalb Jahre. Ungefähr. Viel zu lange. Ich kann jetzt wirklich nicht mehr, gehen Sie endlich!« Sie stand unsicher auf. Harder sprang auf, fasste sie am Arm. »Nein danke. Es geht schon.«
    »Schön. Da haben wir ja Glück gehabt«, sagte Malbek und stand ebenfalls auf. »Es spricht vieles dafür, dass es sich um Ihren Freund handelt, aber um absolute Sicherheit zu haben, müssen wir Sie bitten, ihn zu identifizieren. Ziehen Sie sich etwas über, es ist ziemlich frisch draußen.«
    »Nein, nein, das kann ich nicht, ich habe alles gesagt, was ich weiß. Wie sieht er denn aus, ich meine, doch nicht so, wie ich ihn kannte!« Sie schluchzte auf. »Ich kann Ihnen nicht helfen, glauben Sie mir doch …« Sie ließ sich weinend auf das Sofa fallen.
    Harder machte eine unauffällige Kopfbewegung, die Malbek sagte: Was soll das? Das steht die nicht durch, und es ist gar nicht nötig.
    Er hatte irgendwie recht. In Peters’ Seesack befand sich ein Schreiben von der Seefahrtschule in Rostock über seine nächsten Unterrichtseinheiten. Außerdem könnte jemand von der Reederei oder dem Schiff ihn identifizieren.
    »Frau Schneider, ich muss darauf bestehen«, sagte Malbek ungerührt. »Wenn Sie sich zu schlecht fühlen, werde ich einen Arzt rufen.«
    »Nein, das ist nicht nötig!« Sie sah Malbek erschrocken an. »Ich geh nur ins Bad und mach mich etwas frisch. Dann wird es schon gehen.«
    Als Dörte Schneider im Bad verschwunden war, drückte
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