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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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aufgeweichte Packung vom Duft der großen weiten Welt gewesen, die sie bei ihm gefunden hatten.
    »Wissen Sie noch, welche Kleidungsstücke er trug?«
    »Ich … er hatte ja einiges mit. Ich weiß nicht, was er so anhatte. Ich meine, gestern. Oder vorgestern, er hatte ja einiges mit, also er hatte … ein schwarzes Sweatshirt mit braunen Ärmeln und Kapuze, eine schwarze Windjacke, eine schwarze …« Sie starrte Malbek erschrocken an, schluchzte laut auf, nickte mehrfach, beugte sich vor, wischte mit dem Küchenpapier wieder an den Augen herum und warf das Papier in den bereitstehenden Kücheneimer. Sie riss das nächste Küchenpapier von der Rolle und zerdrückte es.
    Tränen oder eine Spur von Tränenflüssigkeit war in ihrem Gesicht nicht zu entdecken. Nur Wimperntusche, die sorgfältig um die Augen und auf den Wangen verschmiert war.
    Malbeks Handy summte.
    »Einen Moment. Vehrs ist dran.« Er bedeutete Harder mit einem Nicken, die Befragung fortzuführen, ging in den Wohnungsflur. Es war eine gute Gelegenheit, sich unbemerkt in der Wohnung umzusehen.
    »Okay, schieß los!«, sagte Malbek.
    »Der Diakon vom Seemannsheim Holtenau hat angerufen. Er hat einen ihm bekannten Seemann namens Markus Peters vorgestern Abend bei sich im Heim gesehen. Er kennt ihn, weil er öfter nach Urlaub oder Versetzung auf ein anderes Schiff seiner Reederei dort im Seemannsheim gewartet hat.«
    »Und? War mehr aus dem Diakon herauszuholen?«, fragte Malbek.
    »Entschuldige, ich hab’s gefunden, ich hab vorhin noch etwas rumtelefoniert, und dabei ist der Zettel … ja, hier. Also, Peters kam ungefähr um neunzehn Uhr dreißig. Er hat gesagt, dass er auf einen Freund warten muss, der ihn abholen wollte. Er hat sich dann in den Aufenthaltsraum gesetzt und mit seinem Internet-Stick gesurft.«
    »Was für Gepäck hat Peters bei sich gehabt?«
    »Seesack und eine Laptoptasche. Markus Peters habe einen Anruf auf seinem Handy bekommen, sei rausgegangen, also vor das Seemannsheim, was die Aufzeichnung der Webkamera an der Schleuse übrigens bestätigt hat.«
    »Hey, da gibt’s ‘ne Aufzeichnung? Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
    »Weil Sie mal gesagt haben: Chronologisch bitte, immer chronologisch, erinnern Sie sich? Bei Ihrer Amtseinführung«, sagte Vehrs.
    »Danke für die angemessene Wortwahl.«
    »Es ist die Webkamera der United Channel Agency, die haben drei ihrer Kameras ins Netz gestellt. Man war so freundlich, uns die Aufzeichnung für den Zeitraum sofort rüberzuschicken, und Frerksen hat das Material ausgewertet. Der Diakon hat bestätigt, dass das Markus Peters auf den Fotos ist. Ich habe dir die Fotos als Mail geschickt. Er ist nach ungefähr zehn Minuten wieder reingekommen, hat sein Laptop eingepackt und sich ans Fenster gestellt und rausgesehen, bis ein Taxi kam. Damit ist er weggefahren.«
    »Mach dich auf die Suche nach dem Taxifahrer.«
    »Nicht mehr notwendig. Der hat auf Welle Nord von dem Kanaltoten gehört und hier angerufen. Er hat den jungen Mann vom Seemannsheim auf die andere Fördeseite nach Neumühlen, Langer Rehm 30, gefahren. Seine Zentrale hatte die Adresse in der Liste.«
    »Interessant … warte mal.«
    Im Schlafzimmerschrank fand er einen Haufen schmutziger Wäsche, der einen geöffneten Seesack verbergen sollte.
    »Vehrs, er war tatsächlich hier. Schick mal die Spurensicherung im Eiltempo in den Langen Rehm 30.«
    Das Seefahrerbuch lag obenauf.
    Malbek war erleichtert, dass im Badezimmer das Fenster weit geöffnet war. Im Spiegelschrank lagen mehrere angebrochene Zahnpastatuben, Schminkkram jeden Kalibers, Schmerztabletten jeden Kalibers, Abführmittel, Appetitzügler, ein Gel gegen Sodbrennen, etwas gegen Magenschleimhautentzündung, Pflaster und Ähnliches.
    Malbek ging zurück ins Wohnzimmer und setzte sich auf den Sessel neben Harder.
    »Hatte er Feinde? Haben Sie einen Verdacht?«, fragte Harder.
    »Er hat Ärger gehabt«, sagte Dörte Schneider.
    »Mit wem?«
    »Mit der Reederei.«
    »Was meinen Sie damit? Mit der ganzen Reederei?«
    »Muss ich das denn überhaupt erzählen? Das ist doch nur was wegen der Schule und so.« Sie knetete ihre Hände und sah unsicher von Harder zu Malbek. Er war der Chef, das hatte sie schnell begriffen.
    »Wir haben Hinweise darauf, dass Ihr Freund möglicherweise ermordet wurde, Frau Schneider«, sagte Malbek. »Wir suchen den oder die Täter, und Sie wollen uns doch helfen. Deshalb müssen Sie alles erzählen, was Sie über Ihren Freund wissen.
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