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Totenschleuse

Totenschleuse

Titel: Totenschleuse
Autoren: Dietmar Lykk
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verschwunden.
    Malbek sah zu einem Containerfrachter, der langsamer fuhr als die Schiffe vor ihm. An der Heckreling stand ein Mann und winkte der Gruppe vermeintlicher Ausflügler am Bootssteg zu, bis er vom Nebel verschluckt wurde.

2.
     
    Die Leitstelle stellte Kommissar Harder in der Bezirkskriminalinspektion Kiel den Anruf einer jungen Frau durch, die von einem Leichenfund auf Welle Nord gehört hatte und fragte, ob der schon identifiziert worden sei. Sie würde nämlich ihren Freund seit vorgestern Abend vermissen.
    Harder ließ sich ihre Telefonnummer und Adresse geben und ging zu Malbek, der sein Zimmer auf der anderen Seite des Flures hatte.
    »Dörte Schneider. Erzieherin, zurzeit arbeitslos«, sagte Harder und legte ihm die Notiz auf den Schreibtisch. »Sie sagte, ihr Freund sei Auszubildender bei der Reederei Molsen, mit Sitz in Holtenau. Er wollte vorgestern Abend in der Holtenauer Schleuse von Bord gehen, um eine Woche Urlaub zu machen. Sein Schiff ist die ›Christian Molsen‹.«
    »Wann ist Frau Schneider hier?«, fragte Malbek.
    »Sie traut sich nicht aus der Wohnung. Sie klang ziemlich verwirrt.«
    »Aber sie weiß doch noch gar nicht, ob es ihr Freund ist.«
    »Sie sagt, sie fühlt es.«
    »Haben die da eine gemeinsame Wohnung?«
    »Ja.«
    »Na, denn schauen wir mal, wie sich das anfühlt, was sie fühlt.«
     
    Dörte Schneider wohnte in Kiel-Neumühlen, Langer Rehm 30, im zweiten Stock. Das Mietshaus lag an der vierspurigen Ausfallstraße Richtung Laboe, und das Kieler Stadtzentrum war weit weg. Es war eine der ehemaligen Wohnungen für Werftarbeiter, bis es mit den Howaldtswerken bergab ging und die Betriebswohnungen an einen amerikanischen Immobilienkonzern verkauft wurden.
    Der Name »Markus Peters« fand sich auf einem kleinen handgeschriebenen Zettel am Briefkasten. An der Klingel und an der Wohnungstür stand nur »Dörte Schneider« in verschnörkelter Schreibschrift auf einem Emailleschild.
    Nachdem Malbek die Dienstmarke vor den Türspion gehalten hatte, klapperte es hinter der Tür. Es dauerte, bis sie die Türkette gelöst hatte. Zögernd öffnete sie die Tür. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, der Ausschnitt des T-Shirts zeigte ihre durchsichtige Haut, die sich über den Schulterknochen spannte. Die Augen waren schwarz ummalt, die Mascara war verschmiert, und ihre halblangen schwarzen Haare waren fettig. Ihre Hände zitterten.
    Harder sah Malbek mit aufgeblasenen Backen an, als sie ins Wohnzimmer voranging. Vielleicht wollte sie ausgehen. Zur Feier oder zur Trauer des Tages.
    Die Luft war stickig, und neben süßlichem Parfüm erfüllte der saure Geruch von Erbrochenem und kaltem Zigarettenqualm die Luft. Malbek hatte das Gefühl, eine heiße Kröte mit Drei-Tage-Bart im Mund zu haben, würgte mit einem erstickten Laut, stolperte zum Wohnzimmerfenster und riss es auf.
    »Herr Kriminalhauptkommissar Malbek wollte sich vergewissern, ob sich eine verdächtige Person noch auf der anderen Straßenseite befindet«, sagte Harder geistesgegenwärtig. Er wusste von der Synästhesie seines Chefs, einer Übersensibilität, die der Nase Augen gab. Die Nasenaugen lieferten Bilder aus dem Unterbewusstsein, die meist sehr skurril waren.
    Dörte Schneider sah ängstlich zwischen Malbek und Harder hin und her. Das gleichmäßige Rauschen von der stark befahrenen Straße erfüllte das Wohnzimmer.
    »Na, Herr Kriminalhauptkommissar, alles okay?«, fragte Harder.
    »Ja, war wohl doch nur ein harmloser Passant.« Er wandte sich zu Dörte Schneider: »Kein Grund zur Sorge, Frau Schneider. Falscher Alarm.«
    Das Wohnzimmer wirkte im Gegensatz zur Bewohnerin sehr aufgeräumt. Eine Wasserpfeife und Bambusschnitzereien standen in wohlgeordneter Dekorationspose auf dem ansonsten leeren Regal neben einer farbenfrohen Sitzgruppe. Ein Konzertposter einer Punkgruppe hing darüber. Auf dem Sofa lagen eine Rolle Küchenpapier und ein Lifestyle-Magazin. Davor stand ein Küchenabfalleimer.
    Sie griff nach einer Zigarettenpackung.
    »Frau Schneider, ich bitte Sie, nicht zu rauchen. Ich bin Rauchallergiker«, sagte Malbek freundlich. »Ich denke, wir sind auch bald mit den wichtigsten Fragen durch. Wir müssen zunächst klären, ob Ihr Freund mit dem unbekannten Toten vom Kanal identisch ist. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Sie starrte ihn gequält an und riss, ohne den Blick von ihm zu wenden, ein Stück Küchenpapier von der Rolle.
    »Hat Ihr Freund die gleiche Marke geraucht?« Sie nickte. Es war eine
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