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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: Harry Bingham
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einer Parkbank um eine Flasche Cider streiten. Egal. An dieses Lächeln bin ich inzwischen gewohnt. So was prallt an mir ab.
    Ich gehe wieder rauf in mein Büro.
    Die Zahlen und Akten auf meinem Schreibtisch starren mich verhängnisvoll an. Ich gehe zur kleinen Küche hinüber und mache mir einen Pfefferminztee. Außer mir und einer Sekretärin trinkt hier niemand Pfefferminztee. Dann wieder an den Schreibtisch. Ein weiterer schöner Tag. Warme Luft und Sonnenschein strömen durch die großen Fenster. Ich beuge mich über die Tasse und wärme mein Gesicht im duftenden Dampf. Vor mir liegen tausend langweilige Aufgaben und eine interessante. Ich nehme mein Gesicht aus dem Dampfbad und greife nach dem Telefon. Nach ein paar Anrufen habe ich Charlotte Rattigans Nummer – superreiche Witwen stehen aus naheliegenden Gründen nicht im Telefonbuch. Trotzdem rufe ich sie an.
    Eine Frauenstimme meldet sich mit dem Namen des Anwesens: Cefn Mawr House. Sie klingt perfekt nach einer sündhaft teuren Hausangestellten mit einem Überzug aus Edelstahl, an dem jedes unerwünschte Anliegen einfach abprallt.
    » Hallo, hier ist Detective Constable Griffiths von der South Wales Police. Könnte ich bitte Mrs Rattigan sprechen?«
    Die Erwähnung der Polizei lässt sie einen Augenblick zögern – ein nicht ungewöhnliches Phänomen. Dann besinnt sie sich wieder auf ihre Rolle.
    » Detective Constable Griffiths, sagten Sie? Darf ich fragen, worum es geht?«
    » Eine polizeiliche Angelegenheit, die ich lieber mit Mrs Rattigan persönlich besprechen würde.«
    » Sie ist momentan nicht abkömmlich. Wenn Sie mir sagen würden, worum es sich handelt …«
    Ich muss Rattigans Witwe nicht unbedingt einen Besuch abstatten. Ein einfaches Telefonat würde völlig reichen. Aber diese stahlharte Bedienstete hat eine Art, auf die ich allergisch reagiere. Daher berufe ich mich auf meine Amtsgewalt.
    » Auch recht. Hätte sie denn später Zeit für ein persönliches Gespräch?«
    » Hören Sie, wenn Sie mir sagen könnten, worum …«
    » Ich ermittle in einem Mordfall. Eine Routinebefragung, die jedoch unbedingt erforderlich ist. Wenn ein Besuch Mrs Rattigan ungelegen kommt, könnte sie es dann möglicherweise einrichten, nach Cardiff zu kommen, um auf dem Revier mit uns zu sprechen?«
    Diese kleinen Machtkämpfe machen mir Spaß, so kindisch sie auch sind. Sie machen mir Spaß, weil ich immer gewinne. Innerhalb der nächsten zwei Minuten hat mir Mrs Edelstahl einen Termin um halb elf und eine Anfahrtsbeschreibung gegeben. Ich lege auf und lache in mich hinein. Allein die Fahrt dorthin und wieder zurück wird eineinhalb Stunden dauern, und mein halber Vormittag wird für ein Gespräch draufgehen, das am Telefon gerade mal drei Minuten gedauert hätte.
    Die nächste Stunde verbringe ich mit Penrys verdammten Kontoauszügen. Irgendwie vergesse ich dabei die Zeit, denn plötzlich ertappe ich mich dabei, wie ich zu meinem Auto renne. Es ist ein weißes Peugeot Cabrio, ein Doppelsitzer mit Stoffverdeck und einem Hochdruckturbolader, der mich in unter acht Sekunden von null auf hundert bringt. Weiche hellbeige Ledersitze. Leichtmetallräder. Als ich vor drei Jahren diesen Job bekam, hat mir mein Dad ein Auto geschenkt. Dann bestand er dieses Jahr darauf, es durch das neue Modell zu ersetzen. Für einen Detective Constable, der noch grün hinter den Ohren ist, ein völlig unpassendes Gefährt. Ich liebe es.
    Ich werfe meine Handtasche – Notizblock, Stift, Geldbörse, Handy, Sonnenbrille, Make-up und Beweismitteltüten – auf den Beifahrersitz, presche aus dem Parkplatz und bin mitten im Verkehr von Cardiff. Das Autoradio kämpft gegen die Presslufthämmer an, die die A4161 nach Newport aufreißen. Teppichläden, Matratzendiscounter. Auf der A48 wird der Verkehr etwas übersichtlicher. Ich drehe die Musik lauter. Von der Autobahn habe ich eine beeindruckende Aussicht auf Newport, die möglicherweise hässlichste Stadt der Welt. Dann schlängle ich mich an Cwmbran vorbei Richtung Penperlleni.
    Aufgrund des Verkehrs und der Baustellen und weil ich sowieso schon nicht rechtzeitig losgekommen bin und mich hinter Penperlleni auch noch verfahre, biege ich zwanzig Minuten zu spät in die Auffahrt zu Cefn Mawr House ein. Dicke Steinsäulen und kunstvoll geschnittene Eiben. Sehr vornehm, sehr englisch. Ich fühle mich völlig deplatziert.
    Ich gebe in dem hirnverbrannten Versuch, die verlorene Zeit wiedergutzumachen, auf der Auffahrt ordentlich Gas, nehme um
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