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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: Harry Bingham
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Folgendes über sie: Mancini war zum Zeitpunkt ihres Todes sechsundzwanzig Jahre alt. Das Mädchen erst sechs. Mancinis Biografie ist erschreckend. Als Kind zur Adoption freigegeben, verschiedene Heime und Pflegefamilien, mit denen es mal besser, mal schlechter geklappt hat. Anmeldung zur Weiterbildung an der Abendschule. Keine große Leuchte, hat allerdings immer versucht, ihr Bestes zu geben.
    Drogen. Die Schwangerschaft. Das Kind landete immer wieder in verschiedenen Einrichtungen, je nachdem, ob Mancini oder ihre Sucht die Oberhand hatte. » Das Sozialamt hält Mancini für eine Chaotin, aber nicht für eine Psychopathin.« Ein Grinsen, das eher einer Grimasse gleicht. » Jedenfalls nicht in der Lage, ein Spülbecken über ihrer Tochter fallen zu lassen.«
    Das Sozialamt hatte vor sechs Wochen zum letzten Mal Kontakt mit Mancini. Da war sie angeblich clean. Ihre Wohnung – nicht die Adresse, wo sie gefunden wurde, sondern ein Apartment in einem der schöneren Teile von Llanrumney – war den Umständen entsprechend sauber und aufgeräumt. Das Kind war weder unterernährt noch verwahrlost und hat die Schule besucht. » Also – beim letzten Besuch gab’s keine Probleme.«
    Bei der nächsten Kontrolle ist Mancini nicht anzutreffen. Vielleicht ist sie bei ihrer Mutter. Oder ganz woanders. Das Sozialamt ist besorgt, schlägt aber keinen Alarm.
    » Das Haus, in dem sie gefunden wurden, hat offenbar keine Eigentümer. Es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Mancini schon vorher dort aufgehalten hat. Wir haben eine Nachbarin befragt, die allerdings wenig hilfreich war.« Jackson deutet mit dem Finger auf die Anschlagtafeln. » Ist alles dort und in Groove zu finden. Also bringt euch so schnell wie möglich auf den neuesten Stand.« Groove ist unser Projektmanagementsystem inklusive Dokumentationsdatenbank. Groove funktioniert ausgezeichnet, doch ohne die Anschlagtafeln mit den vielen Zetteln darauf wäre ein Besprechungszimmer kein Besprechungszimmer.
    Jackson tritt zurück, um Hughes weitere inzwischen bekannte Informationen über Mancini herunterrasseln zu lassen. Wasser- und Stromrechnungen, Vorstrafen, Telefonrechnungen, alles, was eine moderne Polizeibehörde praktisch aus dem Stand zusammentragen kann. Er erwähnt auch Rattigans Kreditkarte, ohne jedoch viel Aufhebens darum zu machen. Dann ist er fertig, und Jackson übernimmt wieder.
    » Wir bekommen möglicherweise noch heute die ersten Ergebnisse der Autopsie, aber vorerst nichts Definitives. Ich würde allerdings vorschlagen, dass wir von der Annahme ausgehen, dass das Mädchen mit einem Spülbecken ermordet wurde.« Ein kläglicher Versuch, so etwas wie einen Scherz zu machen. » Die Mutter ist möglicherweise an einer Überdosis oder einem Herzanfall gestorben, vielleicht auch erstickt. Das wissen wir noch nicht.
    Zu diesem Zeitpunkt müssen wir uns darauf konzentrieren, möglichst viele Informationen über die Opfer zusammenzutragen. Ihre Vergangenheit, ihren sozialen Hintergrund. Drogenhandel. Prostitution. Ich will, dass ihr von Tür zu Tür geht. Ich will wissen, wer in diesem Haus war, ich will wissen, wen Mancini getroffen hat, mit wem sie geredet hat, ich brauche alles über die sechs Wochen, seit sie zum letzten Mal Kontakt mit dem Sozialamt hatte. Die Frage ist: Was hatte Mancini in dieser Bruchbude verloren? Sie war clean, hat sich um ihr Kind gekümmert, es war alles in bester Ordnung. Was war da los? Was ist passiert? Eure individuellen Aufgaben stehen hier« – er meint die Anschlagtafeln – » oder in Groove. Alle Fragen an mich oder an Ken, wenn ich nicht zu erreichen bin. Wenn ihr was rausfindet, das wichtig ist oder das ihr für wichtig haltet, lasst es mich unter allen Umständen wissen. Und zwar sofort.«
    Er nickt, überlegt, ob er etwas vergessen hat. Hat er nicht. Besprechungen wie diese, die am Anfang einer wichtigen Ermittlung stehen, sind zu einem gewissen Teil Theater. Es ist selbstverständlich, dass jeder Polizist einen Mordfall wie das Schlimmste behandelt, das ihm jemals untergekommen ist, und ihm oberste Priorität einräumt. Trotzdem verlangt die Teamdynamik gewisse Rituale. Jackson tauscht seinen müden, aber entschlossenen Gesichtsausdruck gegen eine finstere, noch viel entschlossenere Miene aus.
    » Noch wissen wir nicht mit Sicherheit, ob Janet Mancini tatsächlich ermordet wurde. Anders bei dem Mädchen. Die Kleine war sechs Jahre alt. Erst sechs Jahre. Ist gerade in die Schule gekommen. Hatte Freunde. In der Wohnung
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