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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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Arndt, Bernd – Arndt, Erich – Arndt, Gustav – Arndt, Jan Fridolin, na endlich! Die Ordner aus den Jahren 1960 und 1961 befanden sich ganz unten. Boelter bückte sich und zog sie vorsichtig heraus …
    … als er plötzlich den kalten Stahl eines Pistolenlaufs am Hinterkopf spürte.
    »Ganz ruhig bleiben und keine hektischen Bewegungen«, sagte eine kühle männliche Stimme.
    Augenblicklich verharrte Boelter und hielt den Atem an. Verdammt, schoss es ihm durch den Kopf, jetzt liegt die Stasi schon in den letzten Zügen, und trotzdem riskiere ich Trottel, in deren Kellern erschossen zu werden. Ein Held der Revolution, später einmal werden sie Straßen und Plätze nach mir benennen.
    »Hoch mit Ihnen«, forderte die Stimme, und der Pistolenlauf löste sich von Boelters Hinterkopf. »Ganz langsam aufstehen, nicht umdrehen und schön die Hände zeigen.«
    Boelter tat, wie ihm geheißen. Er hob die Arme und richtete sich vorsichtig auf. In seinen Händen zitterten die beiden Aktenordner. Er hatte es nicht gewagt, sie fallen zu lassen – Männer mit Schusswaffen können ziemlich schreckhaft sein, und er wollte kein lebensgefährliches Missverständnis riskieren. So stand er da, die Arme seltsam vom Körper weg angewinkelt, mit zwei Ordnern in den Händen, die immer schwerer wurden. Ick muss einen lächerlichen Anblick bieten, dachte er hilflos, James Bond jedenfalls macht in keinem seiner Filme so eine komische Figur.
    »Treten Sie rüber an die Wand«, sagte die Stimme ruhig, »und nicht umdrehen.«
    Boelter hörte, wie der Mann Platz machte, sodass er zwischen den Regalen hervortreten und sich an die Wand stellen konnte. Kurz darauf wurden ihm die Akten aus den Händen genommen.
    »Was wollten Sie damit?«
    »Nüscht.« Boelter zwang sich, professionell zu klingen, und starrte an die Wand. »Ick arbeite im Auftrag.« Er hörte, wie die Ordner durchgeblättert wurden, und überlegte, ob der Mann dafür die Waffe weggesteckt hatte … Wer einen Aktenordner durchsieht, kann nicht gleichzeitig mit der Waffe drohen – und das war die Chance.
    Blitzschnell fuhr er herum, um den Gegner zu überwältigen. Doch sein Wehrdienst war über fünfundzwanzig Jahre her und Boelter regelrecht eingerostet. Noch ehe er den Angriff beenden konnte, landete er bäuchlings auf dem harten Betonboden, dass ihm alle Knochen wehtaten, und hatte wieder den kühlen Stahl der Waffe am Hinterkopf.
    »Wer ist Ihr Auftraggeber?«, raunte die Stimme an seinem Ohr.
    »Keene Ahnung«, japste Boelter atemlos, »det war ‘n Fahrgast. Ick bin nur Taxifahrer, ick …«
    »Mhm«, machte die Stimme und rückte von ihm ab. »Stehen Sie auf!«
    Vorsichtig kam Boelter hoch und fühlte seine pomadisierte Rockabilly-Frisur in sich zusammensinken. Aber er lebte noch, und das war die Hauptsache. Mensch, det hätte schiefgehen können, durchfuhr es ihn eiskalt, als er die Marakow in den Händen seines Gegenübers sah, det hätte verdammt noch mal mächtig in die Hose gehen können …
    Aus den oberen Stockwerken hörte man gedämpft aufgeregtes Geschrei und Fußgetrappel. Immer wieder rumste es, wurde irgendwas zerdeppert. Da reagierte sich der Volkszorn ab.
    »Wissen Sie, wozu Ihr Auftraggeber die Akten braucht?«
    »Nö«, beteuerte Boelter, »keene Ahnung, ehrlich! Er hat mir zweitausend West jeboten, wenn ick det Zeug besorge.« Er lächelte unschuldig. »Is ja ‘n Haufen Kohle. Die wollte ick mir nich entgehen lassen, vastehnse?«
    »Klar.« Der Mann nickte und steckte die Makarow ins Holster unter seinem pastellfarbenen Leinensakko. Sicher ein westliches Fabrikat. Dazu trug der Mann eine 501er Levi’s sowie ein Jeanshemd, beides in Schwarz, was Boelter zu der Überlegung veranlasste, ob er nun einem Stasimann oder einem Bürgerrechtler gegenüberstand. Genau war das nicht auszumachen, so ein Typ hätte sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite des runden Tisches sitzen können. Allein aus der Makarow und der Tatsache, allzu rasch auf den Boden gelegt worden zu sein, schloss Boelter, dass er es wohl wirklich mit einem Mitarbeiter der Stasi-Nasi zu tun hatte.
    Der funkelte ihn durch seine randlose Brille an. »Sie haben gedient?«
    »Ja«, Boelter strahlte. Immerhin hatte der Mann gemerkt, dass er ein Kämpfer war. »Drei Jahre Unteroffiziersausbildung in Prora.«
    »Bei den Fallschirmjägern!« Der Stasimann machte eine anerkennende Miene. »Gut!«
    Boelter nickte stolz. Das waren noch Zeiten gewesen! Als Fallschirmjäger war man ein harter
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