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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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gehen, mit erhobener Faust wie einst Ernst Thälmann. Doch konnte dieser kommunistische Arbeiterführer heute überhaupt noch Vorbild sein? Vielleicht wäre eine Steve-McQueen-Nummer zeitgemäßer; einfach auf die Bremse latschen und den unbequemen Delinquenten auf der Rückbank per Trägheitsgesetz und Flug durch die berstende Windschutzscheibe unschädlich machen …
    »Ich nehme an, Sie wollen sich zweitausend Westmark verdienen«, ließ sich der Mann auf der Rückbank vernehmen und reichte ihm einen Packen Geldscheine nach vorn. »Fünfhundert als Anzahlung?«
    Yeah, das ist der Westen! Boelters Herz machte einen Freudensprung. Kohle verdienen leicht gemacht mit Action in der Marktwirtschaft.
    »Was muss ich tun, Sir?« Plötzlich fühlte er sich wie James Bond. Nicht, dass er die Welt retten wollte, einen Banktresor aufsprengen wäre aufregend genug, genauso wie die Befreiung einer heißen Millionärstochter aus den Fängen brutaler Kidnapper. Noch bevor er genauer darüber nachdenken konnte, wie er das am besten bewerkstelligen sollte, sagte der Mann auf der Rückbank:
    »Wissen Sie, wo das Ministerium für Staatssicherheit ist?«
    Mist, dachte Boelter, denn die Stasi war heute keinen Pfifferling mehr wert. Früher, als die noch mächtig und unheimlich waren, okay. Aber jetzt taugte diese abgehalfterte Truppe kaum noch für einen Thrillerstoff.
    »Sie meinen die Zentrale in der Normannenstraße?«
    »Exakt.« Der Mann auf der Rückbank nickte und sah auf die Uhr. »In genau drei Stunden findet dort eine Demonstration statt. Die Bürgerbewegungen haben dazu aufgerufen, Sie wissen schon, ›Neues Forum‹, ›Demokratie jetzt!‹ und dergleichen …«
    »Come on, come on«, schnurrte Elvis Presley zu nervösen Beats aus den Boxen, und der Backgroundchor sang: »Satisfy me, satisfy me …«
    »… vermutlich werden Zehntausende kommen«, erklärte der Mann auf der Rückbank weiter, »und es gibt Gerüchte, dass die Menschen die Stasizentrale stürmen werden.«
    »Tatsächlich«, maulte Boelter, den das alles herzlich wenig interessierte. »Und wat hab ick damit zu tun?«
    »Sie werden dabei sein!« Boelter spürte die schwere Hand seines Fahrgastes auf der Schulter. »Denn jetzt kommen Sie ins Spiel. Mit einer ganz besonderen Aufgabe.«
    »Die da wäre?« Boelter stoppte an einer Ampel und sah sich nach dem Mann auf der Rückbank um.
    »Die Menge wird den Haupteingang aufbrechen«, sagte der, »sobald Sie im Gebäude sind, halten Sie sich links. Vermutlich wird alles in die andere Richtung strömen, rechts lang, aber Sie, Herr Boelter, Sie bleiben links, verstanden?«
    »Okay«, machte Boelter langsam, und allmählich fand er die Sache wieder spannend. »Und dann?«
    »Am Ende des Ganges auf der linken Seite finden Sie eine Treppe in den Keller, aber Vorsicht: Der Zugang könnte bewacht sein.«
    »Kein Problem«, murmelte Boelter.
    »Nicht für Sie, ich weiß«, nickte der geheimnisvolle Fahrgast, »Sie hatten eine Spezialausbildung im Rahmen Ihres Wehrdienstes bei der NVA , nicht wahr?«
    »Nahkampf«, bekräftigte Boelter stolz, »Ausschalten des Gegners ohne Zuhilfenahme von Waffen …« Er stockte und sah unsicher in den Rückspiegel. »Aber: Woher wissense det?«
    »Ich kenne Ihre Akte.« Der Fahrgast lehnte sich zurück. In seiner Pilotenbrille spiegelte sich die draußen vorbeiziehende Schönhauser Allee. Über den stählernen Viadukt rumpelte eine alte gelbe Hochbahn. »Sobald Sie die Wachen passiert haben, laufen Sie den rechten Gang hinunter, dritte Tür links – die brechen Sie damit auf.« Er hielt Boelter eine Art elektrischen Schraubenzieher hin. »Kennen Sie sich mit so was aus?«
    »Und ob!« Boelter lächelte breit. Jetzt wurde es zumindest olsenbandenmäßig. »Kenn ick aus Filmen.«
    »Einfach ins Schloss stecken, den Knopf hier drücken«, erklärte der Fahrgast unter dem Borsalinohut, »und dann warten, bis sich die Tür öffnen lässt.«
    Boelter nahm den Schrauber, besah ihn sich kurz. ABUS -Sicherheitstechnik stand drauf, obgleich man damit ja alle Sicherheit obsolet machte. Egal. »Und dann?«
    »Achten Sie auf die Beschriftungen an den Regalen. Die Registriernummern beginnen vermutlich mit drei Buchstaben: APT bis ARO .« Er sagte es wie »A Pe Te bis A Err Oh«, und Boelter wiederholte es leise.
    »Die Akte Arndt dürfte ziemlich umfangreich sein«, präzisierte der Mann auf der Rückbank weiter. »Arndt mit De Te. Vorname Jan Frido oder Fridolin. Uns interessieren lediglich die
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