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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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Mädchen wich etwas zurück, starrte hilflos auf die prasselnden Flammen.
    Was war hier passiert, verdammt?
    Plötzlich Musik. Sie kam aus der Scheune.
    Atemlos stieß das Mädchen das Tor auf, strich sich die feuchten Haarsträhnen aus der Stirn und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Mann, der tot im Raum hing.
    Dann gellte ein Schrei des Entsetzens über den brennenden Hof.

 
     
     
     
     
    1    SO VIEL STAND FEST: Berlin war wieder Weltstadt. Der Big Apple Europas, die Metropole der Zivilisation, und deshalb hatte sich Heini Boelter für teures Westgeld schwarz-weiß karierte Zierstreifen für seine Wolgataxe »jekooft«.
    International war das üblich. Vor dem Krieg hatten auch die Berliner Droschken diese schwarz-weißen Karos an den Seiten, das war sozusagen der kosmopolitische Code des Taxigewerbes, und Heini Boelter wollte ein kosmopolitischer Taxifahrer sein. Wie der Eiserne Gustav. Bloß dass er seine Fahrgäste heute nicht mehr nur nach Paris chauffierte, sondern gleich nach New York – via Berlin-Tegel! Sein Wolga sah mit den Karostreifen auch gleich viel schicker, amerikanischer aus. Komisch, dass die Westtaxen das nicht hatten, aber egal, Schnecke dürfte beeindruckt sein. Und da heute nicht viel los war, die üblichen Witwenfahrten zum Friedhof waren erledigt, hatte sich Heini Boelter die nagelneue Lederjacke übergezogen, die Haare sorgsam mit Pomade zur Rockabilly-Ente geformt und im Rückspiegel sein lässiges Elvisgrinsen perfektioniert. Die grauen Strähnen an den Schläfen wurden mehr, aber – Herrgott! – Heini Boelter war Ende vierzig, da waren andere froh, wenn sie überhaupt noch Haare hatten. Er dagegen hatte ‘ne richtig volle Tolle, graue Strähnen hin oder her.
    Gut gelaunt legte Heini Boelter die Kassette in das nagelneu eingebaute Blaupunktradio ein und drehte die Lautstärke auf: »A little less conversation«, dröhnte es aus den Boxen, »a little more action, please! A little more bite and a little less bark, a little less fight and a little more spark. Close your mouth and open your heart …« Heini Boelter legte den Gang ein und wollte – »Schnecke, ich komme!« – gerade das Gaspedal durchdrücken, als plötzlich die Tür zum Fond geöffnet wurde und ein Fahrgast einstieg. Nicht doch! Entschuldigend drehte sich Heini Boelter um.
    »Verzeih’nse, Mister, aber ick wollte jerade Feierabend machen!«
    »Herr Boelter?« Der Fahrgast war in einen dunkelgrauen Trenchcoat gehüllt, trug einen tief in die Stirn gedrückten Borsalino und hatte trotz des Nieselwetters sein Gesicht mit einer übergroßen Pilotensonnenbrille getarnt. »Herr Heinrich Boelter?«
    Boelter nickte langsam. CIA , dachte er, der Kerl sieht aus wie in einem dieser amerikanischen Agentenfilme. Und ick mittendrin. »Wat darf’s denn sein, Mister?«
    »Fahren Sie erst mal los.«
    »Verfolgen wir jemanden?« Interessiert sah sich Boelter um. Das hatte er sich schon immer gewünscht. Das mal so ‘ne Type einstieg und ihn – »Folgen Sie diesem Wagen!« – in eine halsbrecherische Verfolgungsjagd verwickelte. Stattdessen:
    »Schön gelassen geradeaus, und ja keine rote Ampel überfahren, klar?«
    »Wie Sie wünschen, Mister.« Boelter atmete tief durch und fuhr los. Was, wenn der Typ ein Killer war? Jetzt, wo die Grenzen gefallen waren, schien ihm das durchaus möglich. Die Krimis im Westfernsehen zeigten öfter gelangweilte Ehefrauen, die ihren Männern einen Berufskiller hinterherschickten. Einfach, weil sie an das Erbe wollten oder der Gatte untreu war.
    In aller Eile ging Boelter die möglichen Racheengel durch. Ruth? Unmöglich, sie waren schon seit fast fünfzehn Jahren geschieden, und sie hatte längst einen neuen Mann. Bianca hatte schon eher ein Motiv, weil er mit ihrer Freundin durchgebrannt war. Aber auch das war eine Ewigkeit her. Astrid hatte ihn wegen einer Affäre mit einer tschechischen Countrysängerin aus dem Haus geworfen, und Elvira hatte Blumenvasen nach ihm geschmissen, weil sie dahintergekommen war, dass er nicht Johnny Cash, sondern nur Heini Boelter hieß. Und Rosie? Er betrog sie seit drei Monaten mit Schnecke, möglich, dass sie das rausgefunden hatte. Aber war die schnuckelig naive Rosie dazu überhaupt in der Lage? Ihm einen Berufskiller auf den Hals zu hetzen?
    »Hören Sie, Mister …«, begann er, wusste aber nicht, wie er weitermachen sollte. Nein, Boelter wollte nicht um sein Leben betteln wie ein Hund. Er wollte standhaft sterben, ungebeugt in den Tod
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