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Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur

Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur

Titel: Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
Autoren: Tami Hoag
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noch nie von ihr gehört haben.«
    »Ich lebe noch nicht lange hier«, erwiderte Vince.
    Zahn nickte. »Ziemlich bekannt. Das war sie.«
    »Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt, Zander?«
    Er schien über seine Antwort nachzudenken, bevor er sagte: »Ich bin Künstler wie Marissa. Mein Leben ist meine Kunst.«
    »Sie mögen wie sie den Morgen, nicht wahr?«, fragte Vince mit einem vertraulichen Lächeln.
    »Ja. Ich meditiere dann. Ich meditiere sehr früh. Und danach gehe ich zu Marissa und Haley. Wir trinken einen Mimosa. Haley natürlich nicht«, fügte er schnell hinzu. »Marissa ist eine sehr gute Mutter.«
    »Aber heute Morgen gab es keinen Mimosa«, sagte Vince. »Erzählen Sie doch mal, wie das heute Morgen war, Zander. Was Sie sahen, als Sie herkamen, und was Ihnen unterwegs aufgefallen ist.«
    »Erzählen …«, sagte Zahn und schien in den Tiefen seines labyrinthischen Verstands darüber nachzudenken. Die Vorstellung gefiel ihm. »Ich meditierte bis 5 Uhr 23, und dann brach ich auf.«
    »Wo wohnen Sie?«, fragte Mendez.
    »Auf der anderen Seite des Hügels. An der Dyer Canyon Road.«
    »Das ist ein langer Spaziergang.«
    »Ich gehe gerne spazieren.«
    »Haben Sie etwas Ungewöhnliches bemerkt, als Sie sich dem Haus näherten?«, fragte Mendez.
    »Nein, nichts. Es war noch ziemlich dunkel.«
    »Was haben Sie getan, als Sie hier eintrafen?«
    »Ich bin zur Küchentür gegangen. Sie stand wie immer offen. Ich rief nach Marissa. Die Kaffeemaschine lief nicht. Ich roch keinen Kaffee, aber dafür roch ich etwas anderes … Und dann sah ich sie.«
    Zahn erhob sich so unvermittelt, dass alle zusammenzuckten.
    »Jetzt bin ich mit Erzählen fertig. Das andere kann ich nicht erzählen«, sagte er aufgeregt und rieb sich mit den Händen über die Oberschenkel, so als versuche er, irgendeinen Schmutz wegzuwischen. »Ich gehe jetzt. Ich muss gehen. Das ist sehr verstörend. Das alles regt mich sehr auf.«
    Vince erhob sich und streckte Zahn eine Hand hin, als wollte er ihn stützen, achtete aber darauf, ihn nicht zu berühren.
    »Das ist völlig in Ordnung. Sie haben einen Schock erlitten«, sagte er ruhig. »Einer meiner Kollegen wird Sie nach Hause fahren. Wir reden ein andermal weiter.«
    »Das alles regt mich sehr auf«, sagte Zahn. »Ich würde lieber zu Fuß gehen, danke. Auf Wiedersehen.«
    Sie sahen ihm nach, wie er den Garten durchquerte, um zu dem Weg zu gelangen, der ihn nach Hause führte. Er ging sehr schnell, die Arme steif an den Körper gepresst, als wären sie festgebunden.
    »Das alles regt ihn sehr auf«, sagte Vince.
    Mendez verdrehte die Augen. »Ja, mich auch.«

4
    »Wie geht es dir heute, Dennis?«
    »Ich hasse diesen Scheißladen. Die sind alle furzblöd hier.«
    Anne reagierte nicht auf die Obszönitäten, mit denen er sie nur provozieren wollte. Dennis Farman war ein schwer gestörtes Kind. Er starrte sie an, als sie sich ihm gegenüber an den Tisch im Besucherzimmer setzte. Mit dem Schopf hellroter Haare und den ein wenig zu niedrig sitzenden Ohren sah er irgendwie merkwürdig aus. Je nach Stimmung war in seinen kleinen blauen Augen nichts als Wut oder Leere zu sehen. Dazwischen gab es kaum etwas.
    Er war jetzt zwölf. Anne hatte ihn 1985 zu Schuljahresanfang kennengelernt, als sie die fünfte Klasse der Grundschule in Oak Knoll übernommen hatte.
    Vom ersten Tag an hatte sie gewusst, dass Dennis Probleme machen würde. Seine Lehrerin von der vierten Klasse hatte sie vorgewarnt. Dennis hatte die dritte wiederholt und war daher größer als die anderen Jungs in der Klasse und wirkte einschüchternd – wobei er nicht nur so wirkte. Allerdings hatte sie damals keine Ahnung gehabt, wie gestört Dennis Farman tatsächlich war.
    »Hasst du heute eine bestimmte Person?«
    Er reckte das Kinn vor. »Ja, Sie.«
    »Warum hasst du mich?«, fragte sie ruhig. »Ich bin die Einzige, die dich besuchen kommt.«
    »Sie können wieder gehen. Ich nicht«, sagte er und rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ich muss bei diesen Scheißspinnern bleiben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Warum?«, fragte er barsch. »Sie glauben doch, dass ich auch spinne.«
    »Das habe ich nie gesagt.«
    Anne hielt sich nicht für naiv. Sie wusste, dass nicht alle Kinder in idealen Verhältnissen aufwuchsen. Aber niemand hatte auch nur geahnt, wie schrecklich Dennis’ Leben gewesen war. Man hatte ihn körperlich und seelisch schwer misshandelt, und vor einem Jahr war er durch den Mord an seiner Mutter und den Selbstmord seines Vaters,
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