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Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes

Titel: Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes
Autoren: Mark Billingham
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stand »Hotel«, doch Thorne wusste genau, dass man in den weniger attraktiven Londoner Stadtteilen nicht alles für bare Münze nehmen durfte. Würde in sämtlichen Etablissements genau das geboten, was draußen draufstand, säßen eine Menge frustrierter Geschäftsleute in Saunas und würden vergeblich auf Mädchen warten, die ihnen einen runterholten.
    Auf dem Schild hätte eigentlich »Das letzte Loch« stehen müssen.
    Der rotbraune Teppichboden, früher einmal der beste Restposten, den das Lager zu bieten hatte, war mittlerweile an vielen Stellen durchgetreten. Der versiffte grünliche Bodenbelag darunter passte farblich zu dem Moder, der unter der schmutzig weißen Strukturtapete zum Vorschein kam. Von dickem Staub bedeckt stand eine längst eingegangene Grünlilie auf dem Fenstersims. Thorne schob den schmutzigen, orangefarbenen Vorhang zur Seite und lehnte sich gegen das Sims. Ihm bot sich ein atemberaubender Anblick. Die Autokolonnen schoben sich Zentimeter für Zentimeter an der Paddington Station vorbei Richtung Marylebone Road. Beinahe elf Uhr, und es ging noch immer nichts.
    Thorne drehte sich um und holte tief Luft. Ihm gegenüber stand Detective Constable Dave Holland in der Tür und unterhielt sich mit einem Streifenpolizisten – er wartete wie Thorne auf ein Zeichen, um hineingehen und loslegen, sich in diesen Morast stürzen zu können.
    In verschiedenen Bereichen des Raums waren drei Leute von der Spurensicherung an der Arbeit, krochen herum, tüteten ein, beschrifteten und suchten nach der entscheidenden Faser, dem einen Fitzelchen, das womöglich den Ausschlag gab. Die lebenslange Verurteilung lauerte in einer Wollmaus. Die Wahrheit verbarg sich im Müll.
    Der Pathologe, Phil Hendricks, lehnte an der Wand und sprach in den neuen, digitalen Rekorder, auf den er so stolz war. Er warf Thorne einen Blick zu, einen fragenden Blick. Die üblichen Fragen. Ist es wieder so weit? Wann wird das endlich einfacher? Warum vergessen wir beide die Scheiße nicht einfach, setzen uns in eine Einfahrt und lassen uns für den Rest unseres Lebens mit Aftershave voll laufen? Um eine Antwort verlegen, wich Thorne seinem Blick aus. Direkt neben ihm war ein vierter Mitarbeiter der Spurensicherung damit beschäftigt, die Armaturen des braunen Plastikwaschbeckens mit Fingerabdruckpuder zu bearbeiten. Mit seiner Glatze und dem Overall sah er aus wie ein riesiges Baby.
    Wenigstens war dieses Loch ein Loch mit fließend Wasser und eigener Toilette.
    Alles in allem waren sie zu siebt im Zimmer. Zu acht, wenn man die Leiche mitzählte.
    Widerstrebend sah Thorne hinüber zu der kalkweißen Gestalt auf dem Bett. Die Leiche war nackt und lag auf der blanken Matratze. Die Blutflecken auf dem verschossenen und abgenutzten Drillich vermischten sich mit Flecken obskureren Ursprungs. Die nach vorne ausgestreckten Hände des Toten waren mit einem braunen Ledergürtel zusammengebunden. Seine Haltung wirkte unterwürfig, er hatte die Knie unter sich angezogen. Und der Kopf, der in einer schwarzen Kapuze steckte, war in die durchhängende Matratze gedrückt.
    Thorne sah zu, wie Phil Hendricks ans Bett trat, den Kopf anhob und ihn herumdrehte. Sachte entfernte er die Kapuze. Thorne, der hinter ihm stand, sah, wie sich die Schultern seines Freundes kurz verkrampften, und hörte ihn tief Luft holen, bevor er den Kopf wieder sinken ließ. Als ein Mitglied der Spurensicherung herüberkam, um die Kapuze einzutüten, trat Thorne einen Schritt näher, um einen Blick auf das Gesicht des Toten zu werfen.
    Er hatte eine kleine Stupsnase, die Augen waren geschlossen. Das ganze Gesicht war mit stecknadelgroßen Blutspritzern übersät. Der Mund eine einzige Blutkruste. Die Lippen waren aufgerissen, und dieser grauenvolle getrocknete Brei war von Spuckefäden überzogen. Die braunen, schiefen Zähne lagen bloß. Er hatte sich, als er erdrosselt wurde, die Unterlippe durchgebissen.
    Nach Thornes Einschätzung war der Tote Ende dreißig gewesen, doch das war nur eine Vermutung.
    Irgendwo über ihnen war ein lautes Dröhnen zu hören, das sofort wieder erstarb – ein Boiler, der sich selbst ausschaltete. Thorne unterdrückte ein Gähnen und blickte nach oben, wo die Spinnweben um die Stuckatur tanzten. Ob es für die anderen Hotelgäste noch wichtig war, ob sie morgens ausreichend warmes Wasser hatten, wenn sie erfuhren, was sich in Zimmer sechs zugetragen hatte?
    Thorne trat ans Bett. Hendricks redete, ohne sich umzublicken.
    »Abgesehen von der
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