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Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns

Titel: Tom Thorne 01 - Der Kuß des Sandmanns
Autoren: Mark Billingham
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Thornes Gesicht nachdenken. Dann würde er sich ein paar Stunden hinlegen und später weiter daran arbeiten.
    Der Mann ihm gegenüber wirkte erregt, hatte erneut einen harten Tag im Büro hinter sich. Er hatte das blasse und fleckige Gesicht eines Rauchers. Die geplatzten Äderchen an seinen Wangen waren möglicherweise ein Hinweis auf seinen schlecht funktionierenden Kreislauf und übermäßiges Trinken. Die kleinen hellen Flecken auf seinen Augenlidern, das Xynthelasma, waren ein ziemlich eindeutiger Hinweis auf den zu hohen Cholesterinspiegel und die verkalkten Arterien.
    Der Geschäftsmann biss die Zähne zusammen, als er seine Zeitung umblätterte.
    Er gab ihm noch zehn Jahre, höchstens.
    Während der verbeulte blaue Mondeo sanft durch den frühmorgendlichen Verkehr auf der Marylebone Road glitt, schob Thorne die Massive-Attack-Kassette in die Stereoanlage und lehnte sich zurück. Wenn er sich entspannen und abschalten wollte, hätte er nach Johnny Cash, Gram Parsons oder Hank Williams gegriffen, doch um sich zu konzentrieren, gab es nichts Besseres als diese sich ständig wiederholende, hypnotisierende, dumpf hämmernde Musik, für die er fünfundzwanzig Jahre zu alt war. Wie immer, wenn der mechanische Takt von »Unfinished Sympathy« aus den Lautsprechern dröhnte, rief er sich das ungläubige Gesicht des jungen Verkäufers im Plattenladen in Erinnerung. Der blasierte kleine Mistkerl hatte ihn angeblickt, als wäre er irgendein alter Sado, der immer noch so tat, als befände er sich am Puls der Zeit.
    Das picklige Teenagergesicht verwandelte sich zum unendlich attraktiveren von Anne Coburn. Welche Musik ihr wohl gefiel? Klassik wahrscheinlich, aber sie hatte bestimmt auch ein oder zwei Alben von Jimmy Hendrix hinter ihrem Mozart und Mendelssohn versteckt. Was würde sie von seinem Hang zu Trip-Hop und Speed-Garage halten? Er vermutete, dass sie das mit der Sado-Theorie erklären würde. Er blieb an der Ampel stehen und drehte das Fenster herunter, um die hochnäsig wirkende Frau im Saab neben ihm mit dem Wummern der Musik zu überschütten. Thorne blickte stur geradeaus. Als die Ampel gelb wurde, drehte er sich um, winkte ihr zu und ließ seinen Wagen sanft anrollen.
    Und wenn er zurück auf dem Revier war? Dort würde ein Durcheinander von effizient klingenden Stimmen zu hören sein, ein Hin- und Herhuschen mit Akten und ein Piepsen und Surren von Faxgeräten und Modems. Thorne trommelte den Rhythmus auf seinem Lenkrad mit. Den Hintergrund zu dieser Montage würde die Wand bilden – eine Tafel mit Namen, Daten UND AKTIONEN. Darüber würden die Fotos aufgereiht sein: Christine, Madeleine und Susan. Ihre ungezeichneten Gesichter würden eine blasse Leere ausstrahlen, doch in jedem Gesicht, so dachte Thorne, würde ein schrecklicher letzter Moment eines ungewohnten Gefühls festgehalten sein. Verwirrung. Schrecken. Bedauern. Er drehte die Musik lauter. Während in den Fabriken und Büros, überall in der Stadt, Arbeiter verstohlene Blicke auf Kalendermädchen warfen, würden die Tage, Wochen und Monate, die vor Thorne lagen, von den vorwurfsvollen Gesichtern der toten Christine, der toten Madeleine und der toten Susan begleitet werden.
    »Wie geht’s, Tommy?«
    Christine Owen. Vierunddreißig. Aufgefunden am Fuß einer Treppe …
    »Rüttle sie wach, Tom, los, verdammt noch mal!«
    Madeleine Vickery. Siebenunddreißig. Tot auf dem Küchenboden. Ein Topf angetrockneter Spaghetti auf der Herdplatte …
    »Bitte, Tom …«
    Susan Carlish. Sechsundzwanzig. Ihre Leiche wurde in einem Lehnstuhl vor dem Fernseher gefunden …
    »Sag uns, was du unternehmen wirst, Tom.«
    Sie würden Listen erstellen, keine Frage, lange Listen mit Querverweisen zu anderen Listen. Detective Constables würden Hunderten von Menschen dieselben Fragen stellen und ihre Hinweise sauber eingeben, und Detective Sergeants würden Stellungnahmen aufnehmen und Telefonate führen und ihre eigenen Hinweise abtippen, die sortiert und registriert werden würden, und unzählige Überstunden später würden sie vielleicht Glück haben …
    »Entschuldigt, noch immer keine heiße Spur.«
    Diesen Kerl würden sie nicht mit einer bestimmten Vorgehensweise finden. Thorne spürte es bereits. Dies war nicht der übliche Instinkt eines Polizisten, wie ihn ein Thriller-Autor beschreiben würde – das wusste er. Der Mörder könnte sich schnappen lassen … Ja, die Möglichkeit bestand. Die Profiler und psychologischen Experten nahmen an, dass Verbrecher
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