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Tohuwabohu

Tohuwabohu

Titel: Tohuwabohu
Autoren: Tom Sharpe
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war.
    Außerdem verdiente Piemburg den Kommandanten. Als einzige Stadt der Republik, die immer noch den Union Jack vom Rathaus wehen ließ, war ihr die Lehre zu erteilen, daß die Regierung sich nicht herausfordern ließ, ohne sich entsprechend zu revanchieren.
    Kommandant van Heerden wußte, daß seine Ernennung nicht auf seine Erfolge auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung zurückzuführen war. In seiner Unwissenheit bildete er sich jedoch ein, sie sei ihm zuteil geworden, weil er die Engländer verstand. In Wirklichkeit aber hatte er sie dem hohen Ansehen seines Großvaters, Klaasie van Heerden, zu verdanken, der unter General Cronje an der Schlacht von Paardeberg teilgenommen hatte und von den Briten erschossen worden war, weil er sich geweigert hatte, dem Befehl seines Regimentskommandeurs, sich zu ergeben, Folge zu leisten. Er war statt dessen in seinem Schützenloch am Ufer des Modder Rivers hocken geblieben und hatte zwölf Soldaten des Regiments Essex niedergeschossen, die, gut achtundvierzig Stunden, nachdem der letzte Schuß gefallen war, dort ihre Notdurft verrichteten. Die Tatsache, daß Klaasie die ganze Schlacht durch fest geschlafen und den Befehl, das Feuer einzustellen, nicht gehört hatte, wurde von den Engländern während seines Prozesses und von späteren Generationen afrikaanser Historiker einfach unter den Teppich gekehrt. Statt dessen wurde er als Held angesehen, der wegen seiner Treue zur Burenrepublik hatte den Tod erleiden müssen, und als Held wurde er von den afrikaansen Nationalisten in ganz Südafrika verehrt.
    Dieses fromme Märchen war es, das Kommandant van Heerden zu seiner gegenwärtigen Stellung verhelfen hatte. Es hatte lange gedauert, bis seine erwiesene Unfähigkeit das hohe Ansehen, das er von seinem Großvater geerbt hatte, als cleveren Trick erkennen ließ, und mittlerweile war es für das Polizeipräsidium zu spät, wegen seiner Unfähigkeit noch irgendwas anderes zu unternehmen, als ihn auf den Posten in Piemburg zu setzen.
    Kommandant van Heerden lebte in dem Wahn, er habe die Stelle bekommen, weil Piemburg eine englische Stadt war, und ganz gewiß war das genau die Stelle, die er sich wünschte. Der Kommandant glaubte, er sei einer der wenigen Afrikaander, die das englische Gemüt wirklich verstünden. Trotz der Behandlung, die die Briten seinem Großvater hatten angedeihen lassen, trotz der Brutalität, mit der die Briten die Burenfrauen und -kinder in den Konzentrationslagern behandelt hatten, trotz der Gefühlsduselei, die die Briten auf ihre schwarzen Diener verschwendeten, trotz alledem bewunderte Kommandant van Heerden sie.
    Es war etwas an ihrer plumpen Einfalt, was ihn faszinierte. Es rief etwas tief in seinem innersten Wesen wach. Was das genau war, konnte er nicht sagen, aber tief drängte es, zu tief, und wenn der Kommandant sich den Ort seiner Geburt, ihren Zeitpunkt und die Nationalität hätte aussuchen können, dann hätte er sich für Kemburg im Jahre 1890 und die Seele eines englischen Gentlemans entschieden.
    Wenn er etwas bedauerte, dann war es der Umstand, daß seine eigene Mittelmäßigkeit nie Gelegenheit gehabt hatte, sich ähnlich erfolgreich Ausdruck zu verschaffen, wie es die Mittelmäßigkeit und Verworrenheit der Herrscher des britischen Empire vermocht hatten. Als englischer Gentleman im viktorianischen England geboren, hätte er es gut und gerne zum Rang eines Feldmarschalls bringen können. Seine militärische Ungeschicklichkeit wäre ihm gewiß mit ständiger rascher Beförderung vergolten worden. Er war sicher, er hätte die Sache genauso gut machen können wie Lord Chelmsford, dessen Truppen bei Isandhlwana von den Zulus aufgerieben worden waren. Stormberg, Spion Kop und Magersfontein hätten noch entsetzlichere Katastrophen werden können, hätte er nur das Kommando geführt. Kommandant van Heerden war im falschen Volk, zur falschen Zeit und am falschen Ort auf die Welt gekommen.
    Das konnte man weder vom Stellvertreter des Kommandanten, Luitenant Verkramp, noch von Wachtmeister Eis sagen. Daß sie überhaupt nie hätten auf die Welt kommen dürfen oder daß, wenn ihre Geburt schon nicht zu verhüten war, ihr Volk, ihre Zeit und ihr Geburtsort so weit weg von seinem hätten liegen sollen wie nur möglich, das war Kommandant van Heerdens innigster und häufigster Wunsch. Luitenant Verkramp haßte die Engländer. Sein Großvater hatte nicht wie der des Kommandanten für die Burenrepublik gelitten. Vielmehr hatte er von der Kanzel
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