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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel
Autoren: Tina Sabalat
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diesen Mann nur zu verletzen, ihn eine gewisse Zeit außer Gefecht zu setzen: Ich musste ihn töten. Meine Mittel waren begrenzt, doch das Gewebe um mich herum war weich, ungeschützt und so schrecklich verletzlich - also krallte ich meine Finger in die Wand des Mördermagens, grub und riss und wühlte, bis meine Nägel die Membran mit einem grausigen Knirschen durchdrangen und mir eine üppige Fontäne aus warmem, kupfern riechendem Blut entgegensprudelte.

Tag 11 – Donnerstag, 10. August
     
    Ein paar Stunden später lag ich auf einer Liege neben meinem Pool. Mitternacht war vorüber, der 10. August wenige Minuten alt, und ich wusste noch immer nicht, ob ich seine ganzen 24 Stunden tatsächlich erleben würde.
    Eine Decke war um meine Beine gewickelt, obwohl es auch um diese späte Stunde alles andere als kalt war, aber Sam hatte sie dahin gelegt, und deshalb ließ ich sie, wo sie war. Sie war der Ersatz für den echten Sam, und auch, wenn sie nur meine eigene Körperwärme zurückstrahlte, wenn sie kein Ersatz für einen warmen, lebendigen Körper war, war sie besser als nichts.
    Es war still und dunkel um mich herum. Die Lampen im Haus waren aus, und auch von Frau Bergers Grundstück drangen weder Licht noch Stimmen herüber. Ich hörte nicht das Radio, das sonst oft bis in den späten Abend spielte, und ich hörte auch nicht, wie sie gütig mit Kasimir schimpfte, weil der sein Fressen stets hinunterschlang wie ein Staubsauger. Nein, ihr Haus war dunkel, und ich selbst hatte das erzeugt - um Frau Berger zu schützen. Besser: um eine gute Freundin zu beschützen, denn wenn ich jetzt in mich hineinhorchte, fehlte mir mehr als nur eine Nachbarin.
    Ich war zu ihr gegangen, als wir zurückgekommen waren, hatte ihr Haus jedoch leer gefunden. Ein kurzer, dafür aber bodenloser Schreck hatte mich erstarren lassen, dann hatte ich registriert, dass Kasimirs Leine an der Garderobe fehlte. Ein kleiner Verdauungsspaziergang wahrscheinlich, hatte ich geschlussfolgert, mich auf die sauber gekehrten Eingangsstufen vor der Haustür gesetzt und auf den bedächtigen Schritt von Frau Berger und den tippeligen von Kasimir gewartet. Zwei Zigaretten lang, die ich mit zitternden Händen geraucht hatte, den Kopf voller Gedanken an den sich in Qualen auf dem Boden windenden Mörder und die Nase erfüllt vom Geruch seines Blutes auf meiner inneren Haut.
    »Als ich sagte, Herr Sam täte Ihnen gut, habe ich nicht gemeint, dass Sie seine schlechtesten Eigenschaften übernehmen sollen«, hatte Frau Berger zur Begrüßung gesagt, ich war aufgestanden und hatte die zweite Kippe in den Rinnstein geworfen.
    »Sie haben die Alarmanlage nicht scharfgemacht«, hatte ich geantwortet. »Sie wissen, dass das wichtig ist.«
    »Rauchen ist bei Frauen noch schlimmer als bei Männern. Es ist schlecht für die Gesundheit, und man riecht es. An den Haaren. An der Kleidung. Sie bekommen gelbe Finger und schwarze Beine.«
    Frau Berger war an mir vorbeigegangen und hatte die Haustür aufgeschlossen, während Kasimir seinen stummeligen Körper die Stufen hochwuchtete.
    »Es ist gefährlich, das Haus ohne Sicherung zu lassen«, hatte ich zu ihrem Rücken gesagt.
    »Draußen geht es ja noch. Aber drinnen ist es ganz schlimm. Fangen Sie bloß nicht an, drinnen zu rauchen. Das bekommen Sie nie wieder rausgelüftet.«
    Ich war Frau Berger in die Küche gefolgt, und während Kasimir hechelnd in sein Körbchen gewankt war, hatte sein Frauchen die Kaffeemaschine angestellt.
    »Frau Berger, wir haben Regeln«, hatte ich gesagt und mich auf die Eckbank am Küchentisch gesetzt. Zum ersten Mal. Ich hatte noch nie in ihrer Küche gesessen, hatte nie hier bei ihr Kaffee getrunken oder zu Mittag gegessen. Oder gefrühstückt. Was Sam in einer Woche schon mehrfach geschafft hatte.
    »Regeln, die Ihnen nicht mehr wichtig sind«, entgegnete sie und spielte damit natürlich auf Sam an.
    »Werden Sie sich über Ihre Meinung klar«, sagte ich so fest, wie ich es noch konnte. »Entweder ist Sam bedauernswert, dünn und braucht meine Hilfe oder ich halte mich an die Regeln und werfe ihn hinaus. Beides geht nicht.«
    »Behalten Sie Sam, aber nicht das Problem.«
    Ich hatte daran denken müssen, wie ich Sam auf meiner Terrasse zurückgelassen hatte. Er hatte in seinem Sessel gehockt, den Kopf in die Hände gestützt, die Finger in den Haaren vergraben. Ich hatte ihn so zwar ungehindert anschauen können, aber trotzdem war das keine Körperhaltung, in der ich ihn hatte sehen wollen: Ich
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