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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel
Autoren: Tina Sabalat
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geradezu, und ich ahnte, dass ich Sam ab jetzt keine Hilfe mehr sein würde. Wenn ich denn überhaupt mal eine gewesen war und nicht noch alles viel schlimmer gemacht hatte mit meinem 'Was wäre wenn'.
    Der Blick des Mannes huschte über Sam hinweg und blieb dann auf mir liegen. Seine Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, aber ich vermochte nicht zu sagen, ob das Überraschung oder Unwille angesichts meiner Anwesenheit war.
    »Du hast es dabei«, sagte der Mann mit einer Stimme, in der ein deutlicher, harter Akzent mitschwang. Er machte die Laute schwerer und bedeutsamer, als sie ohne ihn gewesen wären.
    »Ja«, antwortete Sam, während wenn ich fand, dass das keine Frage gewesen war, eher eine Feststellung. Wobei fraglich war, woher der Mann wusste, dass die CD hier war, steckte sie doch unsichtbar in Sams Jacke.
    »Dann kannst du gehen«, sagte der Mann.
    Sam sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als würde ihn diese Erlaubnis erstaunen, zuckte mit den Schultern, zog die CD aus der Tasche und legte sie auf das Sofa. Dann streckte er mir eine Hand entgegen: Die deutliche Aufforderung, zu gehen. Ich erhob mich von dem muffigen Möbelstück, auf das mich meine unsicheren Beine gezwungen hatten. Mit einem seltsam prickelnden Gefühl im Magen, das mir sagte, dass dies nicht das Ende war, sondern erst der Anfang, auch wenn außer meinem Bauchgefühl nichts darauf hindeutete. Zeigte mir da gerade mein Magen die Zukunft? Zum allerersten Mal?
    Sam und ich machten einen Schritt auf die Tür zu, einen zweiten und einen dritten - dann hob der Mann die Hand.
    »Sie bleibt hier.«
    »Die CD liegt auf dem Sofa«, erwiderte Sam, aber ich wusste schon, dass er sich die Luft dafür auch hätte sparen können. Weil es logisch war und weil es meine Angst erklärte. Was der Mann meinte, wen der Mann meinte.
    »Scheiß auf die CD.«
    Sam erstarrte. »Scheiß auf die CD? Wieso scheiß auf die CD? Das ist doch das, was du willst, oder etwa nicht?«
    »Auch.«
    Sam runzelte die Stirn, sein Blick wanderte zum Sofa, auf dem die eben noch so wichtige, so wertvolle CD in ihrer billigen Plastikhülle lag, und zurück zu dem Fremden. Sein Blick streifte mich. Und kehrte zurück zu mir. Dann ruckte sein Kopf zu dem Mann herüber, mit einer ehrlichen, überraschten Entrüstung im Blick.
    »Du willst sie? Die …« Er lachte auf. »Ich weiß nicht, wie sie heißt. Pythia.«
    Der Mann schwieg, aber das war Antwort genug.
    »Wieso denn das? Ihr wolltet doch … Ihr habt doch Tobias wegen dieser CD … Ihr bringt da Leute um, verdammt!«
    Sams Stimme hallte überlaut durch das leere Zimmer, aber sie brach an der vermummten Gestalt wie Wellen an einer Betonmauer. Und als der Mann ihm antwortete, war seine Stimme nur noch umso ruhiger.
    »Was kümmert es dich? Geh, dann wirst du leben.«
    »Was willst du denn mit ihr?«
    Ich hätte beinahe gelächelt, weil diese Frage so typisch Sam war. Weil sie das ignorierte, was der Vorredner gesagt hatte, und stattdessen dem Pfad folgte, den nur Sam sehen konnte, und von dem auch nur Sam wusste, wohin er führte. Ja, ich hätte beinahe gelächelt, aber ich konnte nicht. Ich konnte nur stehen und schauen und zuhören, gelähmt von dieser Angst, die größer und größer wurde, schwärzer und schwärzer.
    »Was wolltest du denn von ihr?«, fragte der Mann zurück, Sam straffte sich.
    »Hilfe.«
    »Dito«, erwiderte der Mann.
    Sam stutzte. »Das verstehe ich nicht«, sagte er schließlich mit seiner kindlichen Ehrlichkeit, und der Fremde gab einen seufzenden Laut von sich, der mir bekannt vorkam: Dergleichen war in den letzten Tagen oft auch aus meiner Brust gekommen und wohl so etwas wie eine natürliche Reaktion auf Sam.
    »Du wolltest verhindern, dass du getötet wirst«, sagte der Mann. »Die Wahrsagerin hat dir geholfen, nun wird sie mir helfen.«
    »Dich will auch jemand umbringen?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass sie mir helfen wird.«
    Ich starrte auf die Skimaske des Vermummten und ich wusste, dass ich nichts so wenig wollte, wie in den Magen dieses Mannes abzutauchen. Wenn er das denn gemeint haben sollte.
    »Sam, ich kann das nicht«, sagte ich mit schwacher Stimme, weil ich nicht mehr fest und stark klingen konnte, doch er achtete nicht auf mich. War ganz auf den Vermummten konzentriert und ahnte nichts von meiner Angst. Vielleicht, weil er mit seiner Eigenen schon genug zu kämpfen hatte.
    »Warum sollte sie dir helfen?«, fragte Sam, »sie kennt dich gar
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