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Tödliches Orakel

Tödliches Orakel

Titel: Tödliches Orakel
Autoren: Tina Sabalat
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Termine. Diese Karte durfte der Kunde weitergeben, und zwar nur diese eine. Du hast ein Wunder erlebt, sollte das bedeuten, und du kannst nur einen anderen Menschen an diesem Wunder teilhaben lassen. Das erzeugte ein sorgfältiges, fast schon eifersüchtiges Abwägen – und wenn meine Kunden mir meine Kunden vorsortierten, musste ich das nicht mehr übernehmen.
    »Äh ... Das weiß ich nicht«, antwortete Sam, und damit verblüffte er mich.
    »Sie wissen nicht, wer Sie zu mir geschickt hat?«
    »Nein. Ich habe einen Brief bekommen. Eine Einladung.«
    Er griff in die hintere Tasche seiner Jeans und holte einen Umschlag heraus: Er bestand aus dickem, silbernem Papier, darin steckte eine Glückwunschkarte. Ich konnte das Motiv auf der Karte nicht erkennen, denn Sam öffnete sie sofort und hielt sie nah an die Kamera vor ihm.
    »Da. 'Ein Termin, den du nicht versäumen darfst'. Mit dem heutigen Datum und der Uhrzeit. Plus der Adresse hier.«
    »Und Sie wissen nicht, wer Ihnen das geschickt hat?«
    Die Karte verschwand, ich sah wieder in Sams Gesicht: Er blickte ratlos drein. »Nein. Sie waren es nicht?«
    Ich lachte auf, unfreiwillig erheitert. »Nein, gewiss nicht.«
    »Schade«, sagte er mit einem Lächeln, ich schoss sofort das scharfe »Wie bitte?« ab, das ich mir für solche Situationen antrainiert hatte: Es stutzte flirtwillige Männer meist erfolgreich zurück auf die Rolle, in der ich sie hier sehen wollte – zahlende Kundschaft, die nach genau einer Stunde wieder aus meinem Leben verschwunden war.
    »Und Sie wissen auch nicht, wer die Gebühr für Sie entrichtet hat?«, erkundigte ich mich bei Sam, der indes durch meinen Rüffel nicht besonders eingeschüchtert aussah.
    »Gebühr? Nein. Irgendein Freund, vermute ich.«
    »Die Gebühr beträgt 9.999 Euro«, informierte ich ihn, und Sams Gesichtsausdruck verwandelte sich in Zeitlupe von etwas ratlos zu hochgradig verwirrt.
    »9.999 Euro?«
    Ich nickte. »Ja. Nicht einen Euro mehr, nicht einen Euro weniger.«
    Nicht einen Euro weniger, weil ich auf keinen verzichten wollte, und nicht einen Euro mehr, weil die Summe dann vom Geldwäschegesetz betroffen wäre und mir das Finanzamt oder gar die Polizei auf die Finger schauen würde. Ich mochte es nicht, wenn mir jemand auf die Finger schaute. Würde das Gesetz geändert, würde ich meine Preise ändern.
    »Heftig«, kommentierte Sam meine Preispolitik halb beeindruckt, halb schockiert. Ich hielt 'angemessen' für das richtige Wort, sparte mir aber einen entsprechenden Kommentar.
    »Haben Sie so gute Freunde, Sam? Freunde, denen Sie fast zehntausend Euro wert sind?«, fragte ich stattdessen.
    »Scheinbar«, antwortete er, wenn auch mit leisem Zweifel in der Stimme. Den teilte ich, denn so gute Freunde besaß niemand.
    »Und außer dieser Karte haben Sie nichts bekommen? Keinen Hinweis darauf, worum es hier gehen könnte?«
    »Doch.«
    Sam langte erneut in den Umschlag, zog einen Zettel heraus. Din A4, gefaltet, mit einer Zeile Text.
    »Hier steht 'Stell die Frage: Was passiert am 10. August?'«
    Ah, dieser Kunde wurde immer interessanter! Ich hoffte, dass Sam mir meine Überraschung nicht ansah, aber diese kleine Frage machte ihn zu etwas Besonderem. Nein, sogar zum Ersten seiner Art! Die meisten Leute wollten von mir erfahren, wann etwas geschah oder aber, wie bzw. ob sie ein bestimmtes Ziel erreichen konnten. 'Was'-Fragen waren bislang nur eine theoretische Möglichkeit gewesen, denn es hatte niemals jemand eine gestellt – bis zu diesem Tag.
    »Wissen Sie überhaupt, was ich hier tue?«, fragte ich meinen neuen Kunden unüblicherweise, Sam zögerte.
    »Nun, erst dachte ich ...« Er sah mich prüfend an, schüttelte dann den Kopf. »Das kann ich nicht sagen«, fuhr er fort. »Aber schauen Sie, die Karte.«
    Diesmal erschien die grellbunte Vorderseite vor der Kamera, ich erkannte ein rotes Herz und Sektgläser, darum herum Lippenstift-Küsse. Und unten ... Was war das, ein Paar Pumps und ein BH? Nun war ich an der Reihe, überfordert die Stirn zu runzeln, doch dann dämmerte es mir.
    »Sie haben gedacht, es würde Sie hier eine Nutte erwarten? Mit Champagner?«
    Das ließ Sam ein wenig aufrechter sitzen und nachdrücklich den Kopf schütteln.
    »Nein, nein. Das mit der Frage passt zwar nicht, aber es sah trotzdem nach ... Party aus.«
    »Party.«
    »Ja.«
    »Es ist Viertel nach elf. Am Morgen. An einem Montagmorgen.«
    Sam zuckte erneut mit den Schultern, versuchte ein Lächeln – es wirkte gezwungen.
    »Feste
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