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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber
Autoren: Dee Shulman
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entwickelten sich zu meinem wahren Leben. Nur ihretwegen wurde ich nicht verrückt … bis ich eine noch spannendere Welt entdeckte.
    Ich war elf und hatte mittlerweile angefangen, die Schule zu schwänzen. Anfangs fast unabsichtlich: An einem Montagmorgen schaffte ich es nicht, an der Schule aus dem Bus zu steigen, und bis Donnerstag hatte ich die Stadtbibliothek für mich entdeckt. Dort gab es reihenweise Computer, Regale über Regale voller Bücher, und niemand störte einen. Wiesoentdeckte ich diese Oase erst jetzt? Sie wurde mein Paradies. Tag für Tag saß ich unauffällig in der Ecke und stopfte mich mit Wissen voll. Ich beschäftigte mich mit dem Zerfall des Stalinismus, dem Sozialwesen im römisch besetzten Britannien, mit Russisch, Latein, Griechisch, mit der Quantentheorie und genetischer Diversität … es gab nichts, wofür ich mich nicht interessierte. Wenn ich nach Hause kam, las ich weiter, bis jemand mein Zimmer betrat. Dann löschte ich schnell den Verlauf, schaltete den Computer aus und den Fernseher an.
    Ich dachte wirklich, ich käme damit durch. Ich dachte, ich hätte an alles gedacht. Ich hatte mich über langwierige Krankheiten informiert, deren Symptome ich leicht vorspielen konnte, und einen gefälschten Brief von meiner Mutter an die Schule geschickt. Darin stand, ich litte unter dem chronischen Erschöpfungssyndrom und würde nie wiederkommen.
    Mit derselben Geschichte wollte ich auch die Bibliothekarin einwickeln, als sie mich schließlich erwischte. Ich dachte, sie würde es schlucken. Mittlerweile vertraute ich ihr so weit, dass ich hin und wieder mit ihr über das kanadische Rechtssystem (sie war Kanadierin) diskutierte, doch dann stellte sie sich als abscheuliche Verräterin heraus.
    Drei Monate nach meinem Eintritt ins Paradies wurde ich wieder hinausgeworfen. In der einen Minute war ich noch in einen Artikel über Stammzellenforschung vertieft und in der nächsten tippte mir ein Sozialarbeiter auf die Schulter.
    Zwei Stunden lang sagte ich kein Wort. Wenn ich ihnen erst meinen Namen verriet, würden sie sofort meine Eltern anrufen und mich in die Schule zurückschicken. Mit gerade mal elf und ohne Kurs im Ertragen von Folter hält man einem Verhörleider nicht lange stand. Ich gab auf und wurde zu Mum und Colin gebracht. Nach einer stundenlangen Strafpredigt schickten sie mich in die Schule, wo ich meinen ersten offiziellen Tadel bekam.
    Das bedeutete, wenn ich mir noch etwas richtig Schlimmes leistete, würde ich fliegen.
    Mir wurde wieder leicht ums Herz! Jetzt musste ich mir nur ein dickes Ding ausdenken, weswegen man mich rauswerfen konnte. Ich begann mit der Recherche und schmiedete einen Plan.
    Tatsächlich gab es eine offizielle Liste mit Vergehen, für die man einen Schulverweis riskierte. Schwänzen (Nummer sechs) hatte ich schon erfolgreich geschafft, jetzt musste ich mir nur noch mein zweites Delikt aussuchen. Gewalt, Mobbing oder Drogenhandel kamen nicht infrage, aber Vergehen Nummer sieben war wie für mich gemacht. Computer Hacking! Die größte Herausforderung war, überdeutlich klarzumachen, dass nur ich dafür verantwortlich sein konnte.
    Es hat richtig Spaß gemacht. Ich nahm mir den E-Mail-Account des Rektors vor und schrieb eine stilechte Kündigung, die ich an alle Mitglieder des Verwaltungsrats und die anderen Lehrer versandte. Dann informierte ich alle Schüler per Rundmail, dass der Unterricht für den Rest der Woche ausfiel. Ich hinterließ eine saubere, offensichtliche Spur zu meiner eigenen E-Mail-Adresse und wurde vier Tage später ins Sekretariat gerufen. Nach einer stundenlangen Predigt verließ ich die Schule, ohne mich noch einmal umzusehen.
    Allerdings war der Blick nach vorn nicht vielversprechender. Da meine Eltern noch erheblich wütender waren als derRektor, brummten sie mir eine Woche Hausarrest auf, ehe sie mich auf die Downley-Gesamtschule schickten …
    Zu meinem Erstaunen war es dort erst gar nicht übel. Die Schule war groß, anonym und hatte genug lustlose Schüler, um von mir abzulenken. Drei Jahre gelang es mir, mich einigermaßen unsichtbar zu machen.
    Doch mit vierzehn wurde leider der ein oder andere Junge auf mich aufmerksam.
    Als wäre mein Leben nicht schon sonderbar genug, musste ich mich jetzt auch noch mit diesem Problem rumschlagen.

Die Flucht
    York, England
2012 n. Chr.
    Aus irgendeinem Grund verlor ich plötzlich meinen Tarnumhang. Ich hatte mich so lange um Unauffälligkeit bemüht, dass ich beinahe selbst glaubte,
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