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Toedliches Fieber

Toedliches Fieber

Titel: Toedliches Fieber
Autoren: Dee Shulman
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das Publikum. Einige winken, andere brüllen. Seth legt nur kurz die Hand an die Stirn, ohne uns Zuschauer richtig anzusehen. Die Frauen in meiner Umgebung kreischen vor Aufregung. Sie sind alle nur seinetwegen gekommen. Ich kaue nervös auf meiner Unterlippe. Dann verklingt die Musik, ein Gong ertönt und der Kampf beginnt. Jeweils zwei Gladiatoren bildenvier Paare. Zu meinem großen Entsetzen steht Seth einem ungeheuerlichen Riesen in Rüstung gegenüber. Ich ertrage es kaum, zuzusehen.
    »Protix ist ein Teufel«, zischelt Tavinia. »Er hat noch nie einen Kampf verloren. Andererseits hatte er es auch noch nie mit Leontis zu tun – noch eine Dattel, Liebes?«
    Wie kann sie dabei essen? Ich schmecke Blut, weil ich mir so fest auf die Lippe gebissen habe. Ich bin zum ersten Mal in der Arena und es macht mich krank zu sehen, welchen Spaß die Zuschauer an diesem abscheulichen Schauspiel haben. Während Seth um Protix herumtanzt, werfe ich einen flüchtigen Blick auf die anderen Kämpfe, die mir ausgewogener erscheinen. Ungefähr gleich große Gladiatoren kämpfen mit ähnlichen Waffen gegeneinander. Als ich wieder zu Seth schaue, kommt er mir noch verletzlicher vor, doch er scheint überhaupt nicht zu ermüden. Ohne angestrengt zu wirken, duckt er sich und springt von hier nach da. Der Schweiß, der auf seiner Brust und den Schultern glänzt, spricht allerdings eine andere Sprache. Protix wird wild und drischt wahllos um sich. Seth macht weiter wie bisher und behält ihn gut im Auge. Scheinbar ahnt er jede Bewegung des Riesen voraus, denn er duckt sich einen Augenblick, ehe das Schwert niedergeht, und taucht ab, als Protix angreift, und dann hat Seth sein Netz geworfen und den großen Mann damit gefangen. Ich bin unglaublich erleichtert und schlage die Hände vor den Mund. In diesem Augenblick sieht Seth von dem strauchelnden Gladiator vor ihm zu mir nach oben. Für einen Sekundenbruchteil gibt es nur ihn und mich, aber dann sehe ich, wie Protix die Gelegenheit nutzt – er hat seinen Schwertarmlosgerissen, hebt das Schwert und rammt es in Seths Schulter. Ich schreie …
    Der Schrei holte mich zurück. Zitternd schmiegte ich mich an Seth, der mich im Arm hielt.
    »Was hast du gesehen?«, fragte er und strich mir über die Wange. »Alles in Ordnung. Hier kann dir nichts passieren.«
    Seths Worte beruhigten mich und in seinen warmen Armen hörte ich auf, mich zu fürchten. Doch ich wollte verstehen, was ich gesehen hatte. Ich strich über den Stoff seines weißen T-Shirts, von der Brust bis zur Schulter, wo ich eindeutig eine verdickte Narbe ertastete.
    »Siehst du? Alles verheilt«, sagte er lächelnd. Das machte mich so schrecklich glücklich, dass ich nur noch eines wollte. Ich hob den Kopf, um ihn zu küssen. Doch statt seine Lippen zu spüren, merkte ich, wie er sich versteifte und das Gesicht abwandte.
    »Seth?«
    Er löste sich aus der Umarmung und wandte sich zum Gehen.
    »Eva … ich kann nicht … wir können nicht …«, stöhnte er. Und dann war er weg.
    Was hatte ich denn getan? Wie konnte er jetzt einfach gehen und mich irgendwo in dem Wahnsinnsniemandsland zwischen zwei Leben zurücklassen? Nur seinetwegen befand ich mich in diesem verrückten Zustand.
    »Seth?«, rief ich, weil ich hoffte, er stünde noch vor der Tür.
    Keine Antwort.
    Ich fühlte mich unendlich allein, zurückgewiesen. Nun ja, das war nichts Neues in meinem Leben, aber … aber mit meinen Gefühlen für Seth …
    Blöd! Blöd! Blöd! Wieso lernte ich eigentlich nie etwas dazu? Ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Meine Lippen zitterten und dicke Tränen liefen mir über die Wangen.
    Ärgerlich wischte ich sie mit meiner guten Hand ab und starrte auf die blutige Schweinerei auf der anderen Hand.
    Ich musste hier raus. Ich kam mir vor wie eine angekettete Gefangene, die an Schläuchen hing und sich nicht bewegen konnte. Ich sah mich prüfend nach meinen Klamotten um. Schließlich konnte ich nicht in diesem albernen Krankenhausnachthemd abhauen. Schon wieder kamen mir die Tränen. Es machte mich wirklich fertig, was Seth in mir ausgelöst hatte. Allein kam ich damit nicht klar.
    Wer war ich? Und wie hatte ich dieses andere Leben als Livia gelebt?
    Mit Reinkarnation durfte man mir wirklich nicht kommen. Der Schwachsinn über ewige Wiedergeburt war was für Scharlatane, die naive Leute täuschten, ein simpler Betrug, der den Menschen vorgaukelte, sie könnten ihre schlimmste Angst überwinden – die Angst vor dem
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