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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele
Autoren: Suzanne Collins
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auf sie, dass sie gar nichts für mich tun durfte. Und das hier ist etwas Besonderes. Die Kleider aus ihrer Vergangenheit bedeuten ihr sehr viel.
    »Ja. Komm, wir stecken dir auch das Haar hoch«, sagt sie. Ich erlaube ihr, dass sie es mit dem Handtuch trocken reibt und zu einem Zopf flicht. Ich erkenne mich fast gar nicht wieder in dem gebrochenen Spiegel, der an der Wand lehnt.
    »Du siehst schön aus«, sagt Prim mit gedämpfter Stimme.
    »Gar nicht wie ich selbst«, sage ich. Ich umarme sie, denn ich weiß, dass die nächsten Stunden schrecklich für sie sein werden. Ihre erste Ernte. Ihr droht kaum Gefahr, denn sie hat nur ein Los. Ich würde es nicht zulassen, dass sie einen Tesserastein nimmt. Aber sie macht sich Sorgen um mich. Dass das Undenkbare eintreten könnte.
    Ich beschütze Prim, so gut ich nur kann, doch gegen die Ernte bin ich machtlos. Die Qual, die ich jedes Mal empfinde, wenn sie Kummer hat, wallt in meiner Brust auf und droht sich in meinem Gesicht zu spiegeln. Ich sehe, dass ihre Bluse hinten schon wieder aus dem Rock gerutscht ist, und zwinge mich, ruhig zu bleiben. »Schwänzchen rein, kleine Ente«, sage ich und stopfe die Bluse wieder hinein.
    Prim kichert und macht leise: »Quak.«
    »Selber quak«, sage ich und lache ein bisschen. Nur Prim kann mich so aus der Reserve locken. »Komm, lass uns etwas essen«, sage ich und gebe ihr einen kleinen Kuss auf den Kopf.
    Fisch und Gemüse kochen schon im Topf, aber das ist fürs Abendessen. Wir beschließen, auch Erdbeeren und Bäckerbrot dafür aufzuheben. Damit es etwas Besonderes wird, sagen wir uns. Stattdessen trinken wir Milch von Prims Ziege Lady und essen das grobe Brot aus Tesserastein-Getreide, obwohl keiner besonderen Appetit hat.
    Um ein Uhr machen wir uns auf den Weg zum Platz. Von der Anwesenheitspflicht ist nur ausgenommen, wer an der Schwelle zum Tod steht. Heute Abend werden Beamte herumgehen und kontrollieren, ob das bei den Fehlenden der Fall ist. Falls nicht, werden sie verhaftet.
    Es ist wirklich traurig, dass die Ernte ausgerechnet auf dem Platz abgehalten wird - einem der wenigen Orte im Distrikt 12, die ganz schön sein können. Der Platz ist umgeben von Läden, und an Markttagen und besonders bei gutem Wetter hat man dort ein Gefühl wie Ferien. Aber heute herrscht trotz der leuchtenden Fahnen an den Häusern eine grimmige Atmosphäre. Die Kamerateams, die wie Bussarde auf den Dächern hocken, verstärken diesen Eindruck noch.
    Schweigend betreten die Menschen der Reihe nach den Platz und tragen sich ein. Die Ernte ist nebenbei eine gute Gelegenheit für das Kapitol, über die Bevölkerung Buch zu führen. Die Zwölf- bis Achtzehnjährigen werden nach Alter in mit Seilen abgetrennte Areale gepfercht: die Ältesten ganz nach vorn, die Jüngeren, wie Prim, nach hinten. Die Angehörigen stellen sich rundherum auf und halten sich fest bei den Händen. Andere, die niemanden haben, der in Gefahr ist, oder denen es gleichgültig geworden ist, mischen sich unter die Menge und nehmen Wetten auf die Namen der beiden an, deren Namen gezogen werden. Es werden Wetten auf ihr Alter abgegeben, ob sie aus dem Saum oder von den Kaufleuten stammen, ob sie zusammenbrechen und weinen. Die meisten weisen die Gauner ab, aber ganz, ganz vorsichtig. Diese Leute sind nämlich oft auch Spitzel, und wer hätte nicht schon einmal gegen das Gesetz verstoßen? Ich könnte täglich erschossen werden, weil ich gejagt habe, aber der Appetit der Beamten schützt mich. Was nicht jeder von sich behaupten kann.
    Sei's drum. Wenn wir zwischen Tod durch Verhungern oder einer Kugel in den Kopf zu wählen hätten, dann wäre die Kugel viel schneller, darin sind Gale und ich uns einig.
    Je mehr Leute eintreffen, desto enger und klaustrophobischer wird es. Der Platz ist ziemlich groß, aber nicht groß genug für alle achttausend Bewohner von Distrikt 12. Die Nachzügler werden in die angrenzenden Straßen geführt, wo sie das Ereignis auf Bildschirmen verfolgen können, denn es wird vom Staatsfernsehen live übertragen.
    Ich stehe in einer Gruppe Sechzehnjähriger aus dem Saum. Wir nicken uns kurz zu und schauen dann zu der provisorischen Bühne, die vor dem Gerichtsgebäude aufgebaut worden ist. Darauf stehen drei Stühle, ein Podest sowie zwei große Glaskugeln, eine für die Jungen, eine für die Mädchen. Ich starre auf die Papierzettel in der Mädchenkugel. Auf zwanzig von ihnen steht in sorgfältiger Handschrift der Name Katniss Everdeen.
    Je einen Stuhl
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