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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier
Autoren: Sue Grafton
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halbe Million Dollar von der Lebensversicherung kassiert hatte, quicklebendig wieder auf. Der »Pseudoselbstmord« war sein Versuch, einer unvermeidlichen Verurteilung wegen schweren Betrugs zu entgehen. Er hätte es fast geschafft, doch dann wurde er von einem früheren Bekannten in Mexiko gesehen, und ich war von der Versicherung auf ihn angesetzt worden, die ihr Geld zurückhaben wollte. Ich fragte mich, ob Fiona auch den Verdacht hegte, dass ihr Exmann eine krumme Tour abgezogen hatte.
    Sie stellte ihre Kaffeetasse ab. »Haben Sie die Zeitungsartikel bekommen?«
    »Der Bote hat sie mir gestern ins Büro gebracht. Ich habe sie gestern Abend durchgelesen und dann noch einmal heute Morgen. Die Polizei hat gründlich gearbeitet —«
    »Oder möchte uns das zumindest weismachen.«
    »Sie sind nicht zufrieden mit ihren Fortschritten?«
    »Fortschritte! Was denn für Fortschritte? Dowan ist immer noch verschwunden. Ich sage Ihnen, was sie zu Wege gebracht haben: null Komma nichts. Ja, sicher, sie tun, was vordergründig von ihnen erwartet wird — geben öffentliche Kommentare ab und äußern Besorgnis — , aber das ist doch alles Schall und Rauch und bedeutet überhaupt nichts.«
    Mir widerstrebte ihre Einstellung, doch ich beschloss, noch nicht gleich zu protestieren. Ich finde die Cops sagenhaft, aber warum sollte ich mich deswegen mit Fiona anlegen? Sie wollte mich engagieren, und ich war hier, um festzustellen, was ich beitragen konnte. »Was ist der letzte Stand der Dinge?«, fragte ich.
    »Kein Mensch hat einen Mucks von ihm gehört, zumindest soweit ich weiß.« Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette und streifte dann die Asche in einem schweren Aschenbecher aus Kristall ab. Ihr Lippenstift war dunkel und hatte sich in den haarfeinen Falten über ihrer Oberlippe abgesetzt. Sie hatte einen deutlichen Halbmond an der Kaffeetasse und einen ganzen Ring am Filter ihrer Zigarette hinterlassen. Ihr Schmuck war klobig: große silberne Ohrclips und ein dazu passendes Armband. Zwar war die Wirkung elegant, aber alles an ihr erinnerte an Immobiliengeschäfte und klassische Bekleidungsläden. Ich malte mir aus, dass ich, wenn ich mich näher zu ihr beugen würde, den Geruch von Mottenkugeln und Zedernholzschränken wahrnehmen würde, vermischt mit Düften aus den vierziger Jahren, Shalimar und Old Golds. In manchen Momenten strahlte sie atemberaubende, grelle Schlaglichter einer Schönheit aus, die sie mit ihrem Styling nach Kräften unterstrich. Sie senkte den Blick. »Sie wissen natürlich, dass wir geschieden sind.«
    »In einem der Artikel, die Sie mir geschickt haben, war die Rede davon. Was ist mit seiner jetzigen Frau?«
    »Ich habe während dieser ganzen Tortur nur ein einziges Mal mit Crystal gesprochen. Sie hat sich die größte Mühe gegeben, mich auszugrenzen. Meine Töchter halten mich auf dem Laufenden, und sie halten engen Kontakt zu ihr. Ohne die beiden hätte ich noch weniger Informationen als so, was weiß Gott nicht viel ist.«
    »Sie haben zwei Töchter?«
    »Stimmt. Blanche, die jüngere, und ihr Mann wohnen nur vier Straßen entfernt. Melanie, die ältere, lebt in San Francisco. Ich fahre bis Dienstag nächster Woche zu ihr.«
    »Haben Sie Enkel?«
    »Mel war nie verheiratet. Und Blanche erwartet in etwa drei Wochen ihr fünftes Kind.«
    »Wow.«
    Fiona lächelte säuerlich. »Mutterschaft ist eben ihre Art, einem richtigen Job aus dem Weg zu gehen.«
    »Ein >richtiger< Job kommt mir leichter vor. Ich könnte das nicht, was sie macht.«
    »Sie schafft es selbst kaum. Zum Glück haben die Kinder ein überaus kompetentes Kindermädchen.«
    »Wie kommen Ihre Töchter mit Crystal aus?«
    »Gut, glaube ich. Aber was bleibt ihnen schließlich für eine Wahl? Wenn sie nicht nach ihrer Pfeife tanzen, sorgt sie dafür, dass sie weder ihren Vater noch ihren Halbbruder je wiedersehen. Wissen Sie, dass Dow und Crystal einen Sohn haben? Er heißt Griffith und ist gerade zwei geworden.«
    »Ich erinnere mich, dass von dem Jungen gesprochen wurde. Darf ich Sie Fiona nennen?«
    Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette und legte sie in die Mulde des vor ihr stehenden Aschenbechers. »Mrs. Purcell wäre mir lieber, wenn es Ihnen nichts ausmacht.« Beim Sprechen quoll ihr Rauch aus dem Mund, den sie nachdenklich zu mustern schien.
    »Ja, gut. Haben Sie eigentlich eine Theorie, was das Verschwinden Ihres Exmannes betrifft?«
    »Sie sind eine der wenigen, die sich überhaupt die Mühe machen, zu fragen. Offenbar zählt
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