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Todesträume am Montparnasse

Titel: Todesträume am Montparnasse
Autoren: Alexandra Grote
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genauestens untersucht, ob nicht vielleicht was anderes dahintersteckt.«
    »Mord?«
    LaBréa zuckte mit den Schultern.
    »Erzähl doch mal, oder nervt dich das?« Richard stoppte den Porsche an einer roten Ampel.
    »Nein, es nervt mich nicht.«
    Marielou Delors, vierundzwanzigjährige Studentin der Geschichte, war in der Nacht vom zehnten auf den elften Januar gegen zweiundzwanzig Uhr auf
dem Gelände der Universität Nanterre vergewaltigt worden. Sie hatte an einem Seminar teilgenommen, das gegen einundzwanzig Uhr dreißig beendet war. Da sie ihren Schal im Seminarraum vergessen hatte, war sie noch einmal zurückgegangen, während ihre Kommilitonen das Gebäude verließen. Sie fand ihren Schal und beeilte sich, die anderen einzuholen. Auf dem Korridor, kurz vor dem Ausgang des Gebäudes, wurde sie von einem fremden Mann gepackt und in einen Raum gezerrt. Dieser Mann, Julien Lancerau, ein sechsundzwanzigjähriger Elektriker, schlug sie mehrfach ins Gesicht und bedrohte sie mit einer Pistole. Einer Gaspistole, wie die Polizei später herausfand. Dann vergewaltigte er die junge Frau auf brutalste Weise. Sie war so gelähmt vor Angst und Schmerzen, dass sie keinen Widerstand leistete. Zum Schluss versuchte Julien Lancerau, sie mit ihrem Schal zu erwürgen. In der Annahme, sein Opfer sei tot, suchte der Täter anschließend das Weite. Doch Marielou Delors war nicht tot, sondern nur ohnmächtig geworden. Sie erwachte kurze Zeit später und nahm all ihre Kraft zusammen, um den Ort des Geschehens so schnell wie möglich zu verlassen. Direkt neben ihr auf dem Boden lag die Brieftasche des Vergewaltigers, die dieser am Tatort verloren hatte.
    Völlig unter Schock stehend verließ Marielou Delors das Universitätsgelände. Nachdem sie zunächst durch die Straßen von Nanterre geirrt war, stoppte sie kurz
nach dreiundzwanzig Uhr ein Taxi und fuhr zu einer Freundin. Immer noch alarmierte sie nicht die Polizei. Erst knapp zwölf Stunden später zeigte sie den Vergewaltiger auf dem Kommissariat des Dreizehnten Arrondissements an. Als Beweis legte sie dessen Brieftasche samt Personalausweis vor. Wenig später verhaftete die Polizei den Mann in seiner Wohnung. Da der Tatbestand des versuchten Mordes vorlag (ein ärztliches Attest über ihre diversen Verletzungen hatte die Studentin ebenfalls mit aufs Revier gebracht), schaltete das Kommissariat die Brigade Criminelle ein, LaBréas Abteilung.
    In der Nacht, als die junge Frau überfallen worden war, hatte man in der Wohnung der Freundin offenbar einen Plan geschmiedet. Einen Racheplan, einen Akt der Selbstjustiz. Die Freundin pflegte Kontakt zu einer militanten Frauengruppe, die es sich seit geraumer Zeit zur Aufgabe gemacht hatte, vergewaltigte Frauen zu rächen und sich die Vergewaltiger auf sehr spezielle Weise »vorzunehmen«, falls man ihre Identität in Erfahrung bringen konnte. Diese Strafaktionen liefen folgendermaßen ab: Ein Trupp von sechs bis sieben Frauen in Ledermontur stattete den Vergewaltigern einen Besuch ab. Sie schlugen die Männer zusammen, fesselten und entkleideten sie und besprühten ihr Geschlechtsteil mit lilafarbenem Autolack. Dieser Lack ließ sich nur äußerst schwer entfernen. Die Täter wurden auf diese Art »markiert«. Erst danach verständigten die Opfer, bisher
vier an der Zahl, die Polizei und gaben den Namen des Vergewaltigers bekannt. Die Frauen der militanten Selbstjustizgruppe blieben im Hintergrund, niemand hatte sie bis jetzt identifizieren können. Die vergewaltigten Frauen verrieten keine Namen und bestritten jeden Zusammenhang mit den Sprayeraktionen.
    Auch im Fall von Marielou Delors war diese Sprayergruppe aktiv geworden, bevor der Täter von der Polizei verhaftet wurde. Es stellte sich heraus, dass er im Gebäude der Universität Elektroinstallationen ausgeführt hatte. Es war also für ihn nicht schwierig gewesen, sich Zutritt zu den Räumlichkeiten zu verschaffen und eine Gelegenheit abzupassen, um eine der Studentinnen zu überfallen. Im Übrigen war der Mann bereits einschlägig vorbestraft.
    Erstaunt schüttelte Richard den Kopf, als LaBréa ihm dies alles erzählte.
    »Sie besprühten den Penis dieser Typen mit lila Farbe?«
    »Mit lila Kunstharzlack , und nicht nur den Penis, sondern auch seine Eier! Die Farbe bleibt wochenlang daran haften. Die einzige schnelle Lösung wäre eine Operation«, fügte LaBréa sarkastisch hinzu.
    »Was sind denn das für Weiber, Maurice? Männerhasser? Lesben?«
    »Das wissen wir nicht.
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