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Todesschach

Todesschach

Titel: Todesschach
Autoren: Clark Darlton
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den Füßen half er nach, auf den Gegner zu gelangen, den er fest gegen den Boden preßte. Aber dann achtete er nicht auf dessen linke Hand.
    Er merkte es, als es fast zu spät war. Der Kolben der Waffe traf nicht seinen Kopf, nur die Schulter. Schmerz durchzuckte ihn, und beinahe hätte er losgelassen. Aber dann, noch ehe der zweite Schlag landen konnte, griff er zu. Er fing die Waffe am Lauf ab, bog sie zur Seite und entriß sie dem Springer mit einem mächtigen Schwung.
    Er warf sie einfach in die Dunkelheit.
    Eine Minute später war es vorbei.
    Er wunderte sich ein wenig, daß es so einfach gewesen war, denn sein Gegner hatte sich kaum gewehrt. Er mußte ein Schwächling sein. Wenn schon die körperlichen Kräfte fehlten, mußten sie durch Intelligenz oder zumindest List ersetzt werden. Der Springer hatte von alledem nichts gezeigt.
    Grams ließ sich Zeit. Er rollte den erschlafften Körper des Springers zur Seite und entledigte sich seines eigenen Umhanges. Mit ein wenig Bedauern stellte er fest, daß er nun nicht mehr für Weiß kämpfen würde, auf der anderen Seite hatte sein Spieler es nicht anders verdient. Schwarz hingegen hatte ihm die Chance gegeben, vom Bauern zum Springer aufzusteigen und später den König schachmatt zu setzen. Das gab eine hohe Prämie.
    Als er dem toten Springer den Umhang abnahm, stutzte er.
    Seine tastenden Hände bestätigten ihm, was er fast vermutet hatte.
    Sein Gegner war eine Frau gewesen, eine noch junge und wahrscheinlich auch hübsche Frau.
    Dann zuckte er die Schultern, nahm das zusammengerollte Banner des schwarzen Springers und machte sich auf den Weg zum Hügel, wo er es gegen sein Bauernbanner austauschen würde.
    Dann erst würde Weiß den nächsten Zug ansagen.
     
    *
     
    Thorn hatte eine wichtige Botschaft zu überbringen.
    Er war noch jung, höchstens vierundzwanzig Jahre alt, Student der Sozialwissenschaften und Schach-Juniorenmeister – allerdings nur im normalen Schach, und das auch nur im Nordstaat. Er wäre niemals auf den Gedanken gekommen, an einer Partie Todesschach teilzunehmen.
    Der Stratoliner setzte zur Landung an und rollte aus. Die Skyline von Terrapolis begrenzte den Horizont, auf der anderen Seite lag das Meer, das er gerade in einer knappen Stunde überquert hatte.
    Thorn wußte nicht, wer sein Kontaktmann sein würde, aber er kannte das Signal und die Parole. Es konnte keine Mißverständnisse geben.
    Das Lufttaxi brachte ihn in die Stadt. Das Hotelzimmer war bestellt, und auch hier war jeder Zufall ausgeschaltet worden. Die Untergrundbewegung verfügte über ausgezeichnete Verbindungen, wenn auch kaum einer den anderen kannte. Das Ziel jedoch war klar:
    Grödig sollte an die Macht gelangen.
    Seit einigen Monaten trieben sie mit ihm ihr unwürdiges Spiel. Der Mann aus der Vergangenheit mit seinen Phrasen und nationalen Parolen lebte im Regierungspalast und bildete sich ein, so etwas wie der Herr der Welt zu sein. Simulierte Fernsehsendungen täuschten ihn über alle Realitäten hinweg. Er saß hinter einem mächtigen Kommandopult, dessen Leitungen irgendwo in einem geheimen Schaltzentrum endeten. Er saß da und gab seine Befehle. Auf den Schirmen konnte er sich davon überzeugen, daß sie ausgeführt wurden.
    Einmal hatte er angeordnet, daß eine Gruppe von Touristen aus dem Süden, alles Farbige, verhaftet und wegen Spionage hingerichtet werden sollte. Ohne Verhandlung, ohne jeden ersichtlichen Grund. Die Schaltzentrale hatte ihm den Gefallen getan. Mit Hilfe alter Filme gaukelte man dem Diktator das grausige Schauspiel vor.
    Die Welt nahm Anteil an der makabren Komödie. Endlich einmal etwas anderes als die Spielfilme oder das Schachspiel. Da saß ein Mann in einem Palast und bildete sich ein, die Welt zu regieren! Und er tat es in den Augen vieler nicht einmal so schlecht. Er praktizierte den … na, wie hieß es noch einmal? Ach ja: Faschismus oder so ähnlich. Oder Nationalismus. Aber das war ja egal.
    Wichtig war nur, daß man sich unterhielt.
    Und dann war die Untergrundbewegung entstanden, die Grödig wirklich zur Macht bringen wollte. Meist waren es junge Leute, die sich gegen die bestehende Ordnung auflehnten, die ihnen nichts mehr zu bieten hatte. Mit Spielen allein war die tödliche Langeweile und der Stillstand jeden Fortschritts nicht mehr zu bekämpfen.
    Grödig war ihre letzte Hoffnung. Wenn es aus dem Videospiel blutiger Ernst wurde, konnte die Welt aufgerüttelt werden.
    Thorn wußte, daß nur wenige in der Untergrundbewegung
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