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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
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am Abend des siebzehnten Juni geschehen ist«, fuhr die Staatsanwältin fort.
    »Wir haben oben auf dem ›Westwind‹ unser Lager aufgeschlagen – das ist ein Gipfel im Sunset-Nationalpark. Er ist nicht zu hoch, vielleicht dreitausend Fuß, und eignet sich gut zum Campen, weil man von dort aus einen Blick auf den ganzen Park hat und der Platz außerdem sehr geschützt ist. Ich kenne diese Gegend gut, weil ich dort schon von klein auf gewandert bin.«
    »Erzählen Sie weiter«, forderte Margaret Hanover Chad auf.
    »Wir saßen ums Feuer, haben gegessen, getrunken und waren gut drauf. Dann beschlossen Sharon und Ann, einen Spaziergang zu machen.«
    Chad zögerte einen Moment, er wirkte verlegen. »Ich glaube, es war Sharons Idee. Die beiden nahmen eine Taschenlampe mit und gingen vom Feuer weg in Richtung der Klippe. Wir waren noch im Hellen oben angekommen, so daß sie beide eine ungefähre Vorstellung von der Gegend hatten. Die Klippe hat einen seitlichen Vorsprung, der direkt über dem Whipping River hängt.« Chad senkte wieder den Kopf, als blickte er hinab in den Fluß. »Er ist jetzt wegen der Schneeschmelze ziemlich voll, und die Strömung war sehr wild.«
    »Könnte eins der Mädchen zuerst auf die Klippe zugegangen sein und sich dann in einem Bogen unbemerkt hinter die Gruppe geschlichen haben?«
    »Das bezweifle ich«, meinte Chad.
    »Gab es nur diesen einen Weg zur Klippe?«
    »Ja.«
    »Bitte fahren Sie fort!«
    In Chads rechter Wange zuckte ein Muskel. Er holte tief Luft, rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und preßte seine zitternden Finger an sein Kinn, während er weitersprach. »Sie gingen vom Feuer weg, wie ich schon sagte. Nur für ein paar Minuten… Ich sah ihnen noch nach und riet ihnen, vorsichtig zu sein. Ich kenne mich da oben besser aus als sie alle zusammen – ich hätte mitgehen sollen!«
    »Was geschah dann?« fragte Margaret Hanover drängend.
    »Wir hörten sie miteinander streiten«, fuhr Chad fort. »Aber wir konnten sie nicht sehen. Dann rief Ann etwas…«
    »Was rief sie?«
    »Tu’s nicht!«
    »Laut und angstvoll?«
    »Ja.« Chad ließ seine Hände sinken und schloß die Augen. »Dann kam dieser Schrei!«
    »Hat Ann geschrien?«
    »Ja.«
    »Als sie in den Tod stürzte?«
    »Ja.«
    »Und wie hörte es sich an?« Diese Frage der Staatsanwältin war grausam, und Chads Augen schwammen in Tränen, als er aufblickte.
    »Es war gräßlich!«

 
    1. Kapitel
     
     
     
    Anns Haß war lebendig geblieben – er trieb sie voran und gab ihr Kraft. Er bestimmte ihr Handeln, und manchmal hatte sie das Gefühl, er fülle ihr Leben vollkommen aus. Aber sie haßte ihn auch, diesen Haß. Sie hatte nie darum gebeten. Überhaupt hatte sie nie um irgend etwas gebeten, niemals bitten müssen. Bisher war ihr alles in den Schoß gefallen, teure Autos, schicke Kleidung, gutaussehende Verehrer… Ihr hübsches Gesicht hatte immer haufenweise Verehrer angezogen. Aber niemand konnte ihr geben, was sie jetzt am meisten wünschte: daß ihr Bruder noch am Leben wäre. Ihre Traumfigur konnte ihr nicht helfen, und auch ihr Haß würde höchstens zur Folge haben, daß noch jemand sterben mußte.
    Aber wenn ich Sharons Leben ruiniere, was wird dann mit mir passieren? Das fragte Ann sich sehr oft. Würde ihr Haß plötzlich aufhören und sie in Frieden lassen? Oder würde er nur ein neues Ziel finden? Sie wußte es wirklich nicht, aber sie war intelligent genug zu erkennen, daß sich an ihren augenblicklichen Gefühlen nichts ändern würde. Mit ihren achtzehn Jahren wußte sie schon viel über die menschliche Natur und hatte erkannt, daß der Lohn der Rachsüchtigen meist gering, die Strafen jedoch hart waren. Aber sie, die intelligent war, würde eine Ausnahme sein. Alles war haargenau geplant, nichts war dem Zufall überlassen geblieben.
    Außer Paul, meinem geliebten Paul!
    Jetzt wartete Ann auf Paul Lear. Sie stand oben auf dem Hügel, von dem aus man ihre ganze Schule überblicken konnte: die Wonderwood-High-School, eine der besten in Utah. Von hier oben aus war es eine malerische Gruppe von alten Ziegelgebäuden, die sich wie eine glückliche Familie in das Tal schmiegten, das schon vor vielen Jahren seinen wunderschönen Waldbestand eingebüßt hatte.
    Ann hatte an diesem Morgen am Unterricht teilgenommen, aber nachmittags befand sie sich normalerweise irgendwo in ziemlicher Entfernung von der Schule, weil sie kurz vor der Abschlußprüfung stand und ihre Pflichtkurse schon hinter sich hatte.
    Heute
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