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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie
Autoren: Christopher Pike
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gesprochen«, erklärte John.
    »Um neun Uhr morgens? Und was meinte er?«
    »Sie… sie heißt Margaret Hanover. Sie weiß genausogut wie ich, daß dieser Fall ein großes Medienspektakel werden kann, und sie will sich als große Verbrechensbekämpferin profilieren. Im Moment bearbeitet sie den Richter, damit er deine Kaution auf zweihunderttausend festsetzt und ich glaube, sie wird es schaffen. Wenn deine Eltern nicht ziemlich viel Grundbesitz an den Füßen haben, müßtest du schon mit einem ordentlichen Batzen winken, um hier rauszukommen!«
    »Meine Eltern sind geschieden. Meine Ma arbeitet in einem Lebensmittelgeschäft, und uns gehört nicht mal unser eigener Hinterhof.« Sharon ließ den Kopf sinken. »Bedeutet das, ich muß wieder in diese Zelle zurück?«
    »Es kann sein, daß sie dir eine andere geben.«
    »Na, klasse!«
    »Tut mir wirklich leid!«
    Der mitfühlende Klang seiner Stimme hörte sich echt an. Sharon hob den Kopf und beteuerte wieder: »Ich hab’ sie nicht runtergestoßen!«
    Er blickte sie aufmerksam an. »Ich glaube dir.«
    »Erzählen Sie das allen ihren Mandanten?«
    »Nein, nicht allen. Wenn du Ann nicht gestoßen hast, dann ist die einzige Erklärung, daß sie sich das Leben genommen hat.«
    »Und wenn es ein Unfall war?«
    »Glaubst du denn, daß es einer war?« fragte John.
    Sharon zögerte in dem Bewußtsein, daß ihre Antwort widersprüchlich klang. »Ja.«
    »Die Bezirksanwältin hat drei Zeugen, die behaupten, ihr hättet miteinander gestritten, bevor Ann über die Klippe gegangen ist. Und einer von ihnen ist dein Freund!«
    »Das ist er nicht«, fuhr Sharon auf.
    »Was dann?« wollte John wissen.
    »Nur ein Bekannter.«
    »Hast du dich mit Ann gestritten?«
    »Nein.«
    »Und warum sagen dann die andern, daß es so war?«
    »Weil sie gehört haben, daß Ann schrie«, gab Sharon zurück.
    »Hat sie dich öfter angeschrien?«
    »Nein.«
    »Dann wirst du wohl auch einsehen, warum es uns nichts bringt, zu behaupten, es sei ein Unfall gewesen, oder?«
    Sharon nickte langsam und kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Haben sie die Leiche schon gefunden?«
    »Nein, aber das werden sie noch.«
    Sharon schloß die Augen. »Ann war so schön!«
    »Das habe ich schon gehört. Habt ihr euch gut verstanden?«
    Sharon seufzte. »Ja.«
    »Weißt du einen Grund – irgendeinen –, warum sie sich umgebracht haben könnte?«
    »Nein, aber…«
    »Ja?«
    »Ihr Bruder hat sich letztes Jahr das Leben genommen.« John schrieb etwas auf seinen Block. »Das ist ja interessant! Wie hieß er?«
    »Jerry, Jerry Rice. Er war ein Jahr jünger als Ann und ich.«
    »Hast du ihn gut gekannt?«
    »Ja… Wir sind ein paarmal zusammen ausgegangen. Aber nur einfach so«, fügte sie hastig hinzu.
    »Seid ihr nicht miteinander gegangen?« fragte John.
    »Nein.«
    »Hast du keinen Freund?«
    »Nein.«
    »Und warum nicht? Du siehst doch ganz süß aus!«
    »Ich hab’ keine Zeit für einen Freund.«
    »Warum denn nicht?«
    »Ich spiele Klavier, und meine ganze Freizeit brauche ich zum Üben.«
    John nickte. »Ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Ich hab’ in der Zeitung was über dich gelesen.«
    »Ehrlich? In welcher denn?«
    »In der ›TIMES‹. Du hast ein Stipendium für die Musikhochschule bekommen, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Dann mußt du ziemlich gut sein!«
    »Das bilde ich mir zumindest ein.«
    »Ich wollte früher auch immer unbedingt Musiker werden, war aber reichlich untalentiert, leider. Hat Jerry gern Musik gemocht?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube schon.«
    »Hörte er dir gern beim Spielen zu?«
    »Ja, das tat er.«
    »Mochte er dich?«
    »Warum fragen Sie so was?«
    »Weil ich ein neugieriger Mensch bin«, gab er zurück. »Also, hat er dich gemocht?«
    »Ja.«
    »War er auch in dich verliebt?«
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    John lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Warum hat Jerry Selbstmord begangen, Sharon?«
    Sie starrte ihn an. Seit ein paar Minuten erst unterhielten sie sich, und er stellte schon solche Fragen! Sie hätte ihn gern angeschrien, ihm gesagt, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern; und trotzdem beschloß sie in genau diesem Augenblick, sich von ihm verteidigen zu lassen. Vielleicht war er wirklich der Beste – zumindest hatte er ein großes Talent darin, den wunden Punkt eines Menschen aufzuspüren!
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie, und es war die Wahrheit.
    Eine Woche verging. Sharon bekam eine andere Zelle und hatte jetzt eine zwanzigjährige
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