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Todesküste

Todesküste

Titel: Todesküste
Autoren: H Nygaard
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war das Knacken in den Kniegelenken des Mannes zu hören.
    »Wir brauchen einen Arzt«, sagte der Grauhaarige,
während die vorwitzige Mutter ihre kleine Tochter vor sich herschob und das
Kind so zu positionieren versuchte, dass die Kleine das Geschehen auch gut
beobachten konnte.
    »Was ist mit dem Mann?«, fragte das Mädchen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete die Mutter etwas
kleinlauter.
    »Schämen Sie sich nicht, dem Kind so etwas zu
zeigen?«, ereiferte sich eine resolute Frau. Und nachdem andere Leute
eingestimmt hatten, drängte sich die Mutter mit dem Kind an der Hand gesenkten
Haupts aus dem Kreis der Neugierigen heraus.
    Jemand hatte sein Handy hervorgekramt und rief den
Rettungsdienst an. Ein anderer warf ein: »Es gibt hier doch Sanitäter auf dem
Festplatz.« Doch weder er noch andere wollten den Ort des Geschehens verlassen,
um Hilfe zu holen.
    »Was hat er, Fritz?«, fragte die Frau, die sich mit
ihrem Mann hinabgebeugt hatte. Der Grauhaarige besah sich unschlüssig den
reglos daliegenden Steffen Meiners.
    »Keine Ahnung«, murmelte er.
    Währendessen streichelte Lars vorsichtig über den Kopf
seines Vaters. »Papa«, murmelte er dabei.
    Der Mann mit dem Handy hatte den Notruf beendet. Er
ergriff Lars am Oberarm und wollte den Jungen fortziehen. »Komm, da kannst du
im Moment nichts tun«, sagte er, aber Lars entwand sich dem Griff.
    »Lass mich los«, rief er trotzig.
    Steffen Meiners lag reglos am Boden. Aus dem
Mundwinkel rann ein dünner Blutfaden. Er stöhnte leise.
    »Helft ihm doch.« Lars sah sich angstvoll um. Doch
niemand der Umstehenden rührte sich. Inzwischen war auch der Grauhaarige mit
seiner Frau wieder aus der Hocke hochgekommen. Der Mann kratzte sich verlegen
den Hinterkopf.
    »Tjä«, sagte er gedehnt. »Da weiß ich auch nicht
weiter.«
    Aus dem Hintergrund versuchte Dörte Meiners mit ihrer
Tochter an den Ort des Geschehens zu gelangen.
    »Nun drängeln Sie doch nicht so«, fuhr sie eine Frau
im mittleren Alter an.
    »Ich muss da durch. Das ist mein Mann.«
    »Trotzdem!«, empörte sich die Zuschauerin und gab nur
widerwillig den Platz frei.
    »Was ist mit Papa?«, fragte Dörte und beugte sich zu
Steffen hinab.
    »Ich weiß nicht«, antwortete der Junge mit erstickter
Stimme. »Plötzlich ist er umgefallen.«
    »Hilf mir mal, ihn umzudrehen«, entschied die Mutter.
Gemeinsam mit ihren Kindern packte sie ihren Mann und versuchte, ihn auf den
Rücken zu legen.
    »Ich weiß nicht, ob das richtig ist«, warf der
Grauhaarige ein.
    »Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
    »Nein, aber …« Der Mann verschluckte den Rest des
Satzes.
    »Der gehört in die stabile Seitenlage«, sagte der
Zuschauer, der den Rettungsdienst alarmiert hatte.
    »Dann packen Sie mit an«, forderte ihn Dörte Meiners
auf.
    »Ich?« Der Mann sah in die Gesichter der Umstehenden.
Dann zog er sich ganz langsam aus der ersten Reihe der Zuschauer zurück.
    Steffen Meiners starrte mit geöffneten Augen zum
strahlend blauen Himmel. Unablässig floss ein dünner Faden Blut aus seinem
Mundwinkel. Sein Atem ging röchelnd. Die Nasenflügel bebten.
    »Steffen! Hörst du mich? Kannst du mich verstehen?«
Frau Meiners bettete seinen Kopf in ihren Schoß. Es hatte den Anschein, als
würde ihr Mann etwas sagen wollen. Es war aber nicht mehr als ein leises
Röcheln.
    »Mama«, schrie Heike entsetzt auf. »Sieh mal. Papas
Bauch. Da ist ganz viel Blut.«
    Jetzt sah auch Lars den roten Fleck, der sich auf dem
Hemd seines Vaters ausbreitete.
    Dörte Meiners wollte zögerlich zur Wunde greifen, zog
dann aber unentschlossen ihre Hand wieder zurück.
    »Hast du gesehen, ob Papa auf einen Stein gefallen
ist?«, fragte sie ihren Sohn.
    Lars schüttelte den Kopf. »Er war hinter mir. Ich habe
nichts mitbekommen.«
    In der Ferne war das Martinshorn des Rettungswagens zu
hören. Kurz darauf bahnten sich zwei Rettungsassistenten mit ihrem
Notfallrucksack einen Weg durch die Menschen.
    »Was ist geschehen?«, fragte der Größere, ein
hochgewachsener Mann mit blondem Haar.
    »Das wissen wir nicht«, entgegnete Dörte Meiners, und
Lars ergänzte: »Mein Vater ist plötzlich umgefallen. Und jetzt blutet er.«
    Der Rettungsassistent fühlte den Puls. Er bemerkte die
kaltschweißige blasse Haut und die blauen Fingerkuppen unter den Fingernägeln
sowie die blauen Lippen.
    »Schocksymptomatik«, sagte er zu seinem Kollegen. »Ich
vermute einen zyanotischen Volumenmangelschock. Wir legen einen Zugang.«
    »Den grauen?«, fragte der zweite
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