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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich
Autoren: Hannes Nygaard
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Diskretion wahren?«, mahnte
auch Dr. Michalke.
    Große Jäger sah die beiden Frauen mit nahezu
unschuldiger Miene an.
    »Wieso? Ist der Tod nicht ein tägliches Ereignis in
einem Altersheim?« Er hatte jetzt allerdings leiser gesprochen, sodass diese
Bemerkung nur in der kleinen Gruppe zu hören war. »Was veranlasst Sie zu der
Vermutung, dass kein natürlicher Tod vorliegt?«, fragte er dann.
    »Vielleicht kommen Sie erst einmal mit. Dann kann ich
Ihnen meinen vagen Verdacht vor Ort erläutern«, sagte die Ärztin bestimmt und
ging voraus.
    Schwester Anke verabschiedete sich mit der Bemerkung,
dass sie den Heimleiter und die Oberschwester benachrichtigen wolle.
    Vor der verschlossenen Tür des Raumes, in dem Paul
Schüttemann seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, warteten sie auf die
beiden.
    Kurz darauf eilte Brodersen auf den Oberkommissar zu,
streckte ihm eilfertig die Hand entgegen, um sie sich nach dieser Geste
verstohlen an seiner Hose abzuwischen.
    Währenddessen hatte Schwester Dagmar die Tür
aufgeschlossen.
    Große Jäger hielt seine Nase in die Luft und
schnupperte wie ein Jagdhund. Es roch modrig in diesem Raum. Die Luft war
verbraucht und abgestanden, weil das Fenster seit dem frühen Morgen nicht mehr
geöffnet worden war. Schwester Regina hatte es, gleich nachdem sie Schüttemanns
Tod festgestellt hatte, wieder geschlossen.
    Der Oberkommissar warf routinemäßig einen Blick in das
kleine Zimmer, von dem eine weitere Tür zur Nasszelle abging. Die Möblierung
war schlicht. Ein Wäscheschrank, ein kleiner Tisch mit zwei einfachen
Holzstühlen, ein an der Wand stehender Schreibtisch und ein Lehnstuhl aus
Peddigrohr, ausgepolstert mit mehreren Kissen. In der Ecke des Raumes stand das
Bett mit dem Nachttisch, ebenfalls aus dem fast ein wenig düster wirkendem
Nussbaumholz. Ein einfacher Wollteppich in der Mitte des Raumes sowie ein großer
Fernsehapparat vervollständigten die Einrichtung.
    Zwei Bilder und der Blumentopf auf der Fensterbank
waren die einzigen belebenden Elemente, wenn man von der Fotogalerie absah, die
auf dem Schreibtisch stand.
    Auf dem Nachttisch am Kopfende des Bettes stand ein
einfaches Uhrenradio, daneben ein Glas mit einer Flüssigkeit, in der das Gebiss
Paul Schüttemanns schwamm.
    Der Tote lag auf dem Rücken, die Bettdecke bis ans
Kinn herangezogen. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, ob der alte Mann
nicht nur schlief. Die Augen waren geschlossen, der Mund leicht geöffnet.
    Die beiden Polizisten ließen das Bild einen Moment auf
sich wirken. Dann beugte sich Große Jäger hinab und roch am Mund des Toten.
    »Es riecht merkwürdig«, stellte er fest. »Fast ein
wenig fruchtig.« Er sah die Ärztin an. »Ist das der Grund, weshalb Sie uns
informiert haben?«
    Dr. Michalke war auch an das Bett herangetreten.
    »Nein, nicht deshalb. Mir sind zwei Dinge aufgefallen.
Zum einen haben sich die Totenflecken relativ schnell gebildet. Das dürfte bei
einem alten Menschen, der an allgemeiner Kreislaufschwäche stirbt, eigentlich
nicht der Fall sein. Andererseits hat die Totenstarre, die bei den Augenlidern
beginnt, viel zu schnell eingesetzt.«
    Die beiden Polizisten wechselten einen raschen Blick.
    »Haben Sie sonst irgendwelche außergewöhnlichen
Merkmale festgestellt?«, fragte Große Jäger.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Verletzungen? Prellungen, Blutergüsse? Einstiche?«
    »Was wollen Sie mit diesen Fragen andeuten?«, mischte
sich aufgebracht der Heimleiter ein. »Das ist doch absurd, was Sie hier
unterstellen wollen.«
    Der Oberkommissar wandte sich Brodersen zu.
    »Sie werden nachher noch hinreichend Gelegenheit für
Kommentare erhalten. Jetzt stelle ich die Fragen. Und ich möchte eine
kompetente Antwort. Deshalb schweigen Sie .«
    Der Heimleiter schnappte nach Luft. »Sie!«, drohte er.
    Große Jäger schenkte ihm ein Lächeln, was den Mann
noch wütender machte. Er sah mit seinem feuerroten Kopf jetzt wie ein Zündholz
aus.
    Dr. Michalke war dem Dialog stumm gefolgt.
    »Sonst habe ich keine Besonderheiten feststellen
können«, beantwortete sie dann die Frage des Oberkommissars.
    »Haben Sie einen Verdacht?«
    »Meine Diagnosemöglichkeiten sind zu eingeschränkt,
als dass ich mich konkreter hierzu äußern könnte«, antwortete sie vorsichtig.
    Große Jäger beugte sich erneut zu dem Toten hinab und
roch am offenen Mund.
    »Woher könnte dieser leicht saure, fruchtige Geruch
stammen? Könnte eine Vergiftung vorliegen?«
    »Gift?«, empörte sich Brodersen.
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