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Todeshaus am Deich

Todeshaus am Deich

Titel: Todeshaus am Deich
Autoren: Hannes Nygaard
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nicht«, stammelte er, »ich möchte nur jede Unruhe
von unserem Haus fernhalten.«
    »Dann schüren Sie diese nicht selbst«, erwiderte Dr.
Michalke unterkühlt. »So! Und jetzt verständige ich die Kripo in Husum.«
    »Kripo?«, ächzte der Heimleiter. »Sie wollen die
Polizei ins Haus holen?«
    Eine Mischung zwischen Entsetzen und Erstaunen machte
sich auf den Gesichtern der drei Heimmitarbeiter breit.
    *
    Dr. Michalke nippte an der Kaffeetasse, die ihr
Schwester Regina angeboten hatte, und sah aus dem Fenster des Schwesternzimmers
auf den Platz vor der »Hauke-Haien-Residenz« hinaus. Zwei Fahnenmasten standen
in den Beeten neben dem Eingang. Die Deutschlandflagge und die blau-weiß-rote
Landesflagge Schleswig-Holsteins flatterten fröhlich im Wind. Die Schnüre, mit
denen sie gehalten wurden, schlugen gegen die Pfähle und machten die
Luftbewegung hörbar. Im Beet stand ein etwa fünfzigjähriger Mann im grauen
Kittel und harkte sorgfältig zwischen den zurückgeschnittenen Rosenpflanzen,
die jetzt, am 12. März, noch keine sichtbaren Ansätze ihrer sommerlichen
Blütenpracht zeigten. Der Hausmeister hielt in seiner Arbeit inne, stützte sich
auf dem Stiel der Harke ab und hörte einem gemütlich aussehenden Mann mit einem
kugelrunden Bauch zu, der auf dem Weg stehen geblieben war. Der alte Herr trug
eine Schippermütze, wie sie der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt auch
über Norddeutschland hinaus populär gemacht hatte. Unter der Kopfbedeckung
lugte üppiges schlohweißes Haar hervor, das in einen Backenbart überging, der
am Unterkiefer entlang Richtung Kinn führte. Der Senior hätte gut als Modell
für jenen Kapitän durchgehen können, der in der Fernsehwerbung kleinen Kindern
den Verzehr von Fischstäbchen empfahl.
    Dr. Michalke lächelte versonnen. Bernhard Thordsen war
tatsächlich ein pensionierter Kapitän. Allerdings beschränkte sich seine
seemännische Erfahrung auf das Führen eines Fährschiffes, das im Wattenmeer
zwischen den Inseln und Halligen pendelte. Das hinderte ihn aber nicht daran,
in fröhlicher Runde buntes Seemannsgarn zu spinnen.
    Sie wurde bei ihrer Betrachtung durch einen älteren
Ford-Kombi in unscheinbarem Grau abgelenkt, der aus Richtung Husum kam und
direkt vor dem Eingang hielt. Das Fahrzeug erregte auch die Aufmerksamkeit des
Hausmeisters, der den beiden Männern, die dem Wagen entstiegen, etwas zurief.
Doch der Fahrer winkte nur ab und strebte mit dem zweiten Mann der Automatiktür
der Seniorenresidenz zu.
    Das werden die Beamten der Kripo sein, vermutete die
Ärztin, stand auf und ging den Männern entgegen. Im Eingangsbereich traf sie
auf Schwester Anke, die mit den beiden sprach.
    Der ältere der beiden Polizisten machte auf den ersten
Blick keinen vertrauenerweckenden Eindruck. Er trug ein rot kariertes
Holzfällerhemd unter einer fleckigen Lederweste. Der Schmerbauch verdeckte fast
völlig die Gürtelschnalle, die eine ebenfalls schmuddelige Jeans hielt. Das
Doppelkinn und die Wangen waren unrasiert. Es war aber nicht die Art von
Bartstoppeln, die einen gepflegten Dreitagebart ausmachen, sondern jene, die
das Gesicht eines Mannes zieren, der schlichtweg die morgendliche Rasur
unterlassen hat. Der Mann hatte sich auch das Waschen der ungekämmten
grau-schwarzen Haare erspart, die mit einem leichten Fettschimmer sein Haupt
zierten. Mit einem Hauch von Widerwillen sah Dr. Michalke auf die großen Hände
mit den gezackten Fingernägeln und den schwarzen Rändern. Die dunkelgelben
Nikotinspuren an den Innenseiten zwischen dem rechten Zeige- und Mittelfinger verrieten
den starken Raucher.
    »Das ist Frau Dr. Michalke«, stellte Schwester Anke
die Ärztin vor.
    »Kriminaloberkommissar Große Jäger, Polizei Husum«,
nannte der Stoppelbärtige seinen Namen und zeigte auf den jungen,
hochgewachsenen Mann in seiner Begleitung. »Mein Kollege, Kommissar Mommsen.«
    Der sportliche Mann mit den blauen Augen, der trotz
des noch immer nicht frühlingshaften Wetters eine gesunde Gesichtsfarbe
aufwies, nickte kurz zur Begrüßung.
    Große Jäger machte eine Andeutung, als würde er der
Ärztin die Hand reichen wollen. Dr. Michalke tat so, als habe sie diese Geste
übersehen.
    »Sie haben einen ungeklärten Todesfall?«, fragte Große
Jäger mit lauter Stimme.
    Die Ärztin erschrak im gleichen Maße wie Schwester
Anke.
    »Psst«, sagte die Schwester und sah sich im Foyer um,
ob jemand diese vorlaute Bemerkung des Oberkommissars mitbekommen hatte.
    »Können wir ein wenig mehr
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