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Todesfrauen

Todesfrauen

Titel: Todesfrauen
Autoren: Jan Beinßen
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Kinderzeichnung.«
    Gabriele lächelte Diehl versonnen an. Ihr gefiel sein Humor. Es war angenehm, diesen freundlichen, gebildeten Brummbär an der Seite zu haben.
    Doch dann besann sie sich auf ihre Pläne, ihre Mission und an die Tatsache, dass sie ihr Vertrauen in dieser Angelegenheit auf keinen Fall einem Polizisten schenken durfte. Sie steckte das Bild eilends weg und ging auf Distanz.
    Zu Diehls sichtlichem Missfallen verlief der restliche Abend ziemlich unterkühlt.

4
     
    »Was hältst du von Vladi? Was für ein Mensch ist er?«
    »Schwer zu sagen, Kleines. Ich kenne ihn ja auch kaum besser als du. Er hat uns ein paar Mal chauffiert, ja, und da wirkte er recht sympathisch. Aber was er für ein Mensch ist? Keine Ahnung! Ich kann seine Einstellungen ganz schwer einschätzen. In dem kurzen Gespräch, das wir neulich führten, schwärmte er vom intakten Jugoslawien seiner Kindheit in den Grenzen vor 1989. Er scheint auch gegen die Gewalt zu sein, mit der der Vielvölkerstaat von seinen Landsleuten künstlich zusammengehalten werden soll. Dieser innere Zwiespalt sollte uns beiden eigentlich egal sein, denn wir wollen uns ja nicht in die Angelegenheiten seiner Heimat einmischen, sondern bloß ein Geschäft mit ihm und seinen Leuten abwickeln.«
    Die beiden Frauen saßen wieder im Hinterzimmer von Gabrieles Laden, brüteten über zwei Bechern Kaffee und haderten mit sich und den Optionen, die ihnen blieben, wenn sie diese Sache durchziehen wollten. Da es mittlerweile galt, eine konkrete Entscheidung zu treffen: Vladi hatte sich gemeldet und um ein Treffen gebeten. Er deutete an, gewisse Unterlagen vorzeigen und bei dieser Gelegenheit Kontaktpersonen in seiner Heimat benennen zu können. Der von ihm vorgeschlagene Treffpunkt war eine Videothek im Stadtteil Gostenhof, wo er neben seinen Taxifahrten gelegentlich jobbte. Nicht die beste Gegend, wie Gabriele meinte.
    »Und?« Sina sah ihre Freundin aus großen braunen Augen an. »Was tun wir? Gehen wir hin?«
    Gabriele erwiderte ihren Blick, schüttelte dann ganz entschieden ihren Kopf, um gleich darauf mit einer heimtückischen Miene zu nicken.
    »Was denn nun?«, fragte Sina entsprechend verwirrt. »Ja oder nein?«
    »Ja und nein!«, sagte Gabriele und erklärte: »Wir werden Vladi wiedersehen. Doch ab jetzt spielen wir nach meinen Regeln: Ich habe keine Lust, mich in eine schmierige Videothek zu begeben. Ich lege einen anderen Treffpunkt fest. Der ist ebenso konspirativ, aber wesentlich niveauvoller.«
     
    Wenn in diesen Tagen in Bayreuth der Vorhang für Lohengrin aufgezogen wurde, war auch das nahe Bamberg bereit, die Gäste der Nachbarstadt zu unterhalten. Denn zu deren beliebtesten Aktivitäten in der opernfreien Zeit gehörten Stippvisiten in die traumhaft schöne Weltkulturerbestadt. Besonders findig wussten das die ortsansässigen Antiquitätenhändler zu nutzen, die parallel zum akustischen Großereignis zur Augenweide luden: den Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Rund um die Karolinenstraße, mitten in der Altstadt, lagen die Geschäfte der 15 Teilnehmer in einem Umkreis von nur 500 Metern. Dorthin lockten sie durch das Glück der Wagner-Musik entspannte Kunstverständige: Konnte man doch im eigenen Laden weit mehr Bilder, Möbel und Objekte zeigen als in anonymen Messezellen und dabei demonstrieren, wo persönlicher Stil und individuelle Schwerpunkte zu Hause waren. Und der größte Heimvorteil entstand durch die Einbettung in die unvergleichliche Atmosphäre der alten Gassen am Fuß des Dombergs.
    Gabrieles Ziel lag im Zentrum der elitären Antiquitäten-Show. Ihr alter Bekannter und erfolgreicher Mitbewerber Alfons Hümmer hatte sich über die Ankündigung ihres Besuchs gefreut und sich – ohne viele Fragen zu stellen – bereit erklärt, sie in seinen Räumlichkeiten für eine Weile allein und ungestört gewähren zu lassen. Hümmer spannte den Bogen weit. Angefangen mit Schneegemälden vom Kitzbühel-Maler Alfons Walde, die sich ein Stelldichein mit süddeutschem Klassizismus in Gestalt eines Aufsatzsekretärs gaben, den Mohrenfiguren und zarte Porträtmedaillons verzierten. Seine Galerie feierte bereits 40-jähriges Bestehen, und im Laufe der Zeit hatte sich Hümmer die eine oder andere Filiale gegönnt, über die er – in fränkischer Bescheidenheit – aber nicht viele Worte verlor.
    Das Haupthaus, das Gabriele als idealen Treffpunkt mit Vladi ausgewählt hatte, beherbergte spätgotische Skulpturen, denen man im gotischen Kellergewölbe ein
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