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Todescode

Todescode

Titel: Todescode
Autoren: Barry Eisler
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während sein Blick über die rechts und links an der Wand ausgestellten Trophäen aus Acrylglas glitt, die an die Arbeit für Cisco, eBay, Google und zig andere Mandanten erinnern sollten. Auf gerahmten Fotos war Osborne Seite an Seite mit diversen Silicon-Valley-Promis abgelichtet, mit dem bekannten Vorstandsvorsitzenden eines führenden Telekomkonzerns, den Osborne erst kürzlich durch einen spektakulären Coup als Mandanten gewonnen hatte, und sogar mit dem Premierminister von Thailand, wohin Osborne drei- oder viermal im Jahr reiste, um in dem Projektfinanzierungsbüro, das er dort aufgebaut hatte, nach dem Rechten zu sehen. Alex hatte versucht, nicht daran zu denken, wie mächtig und einflussreich jemand sein musste, der solche Geschäfte abwickelte und solche Größen kannte. Man musste sich selbst das Gegenteil einreden – dass die Person, mit der man gleich in Verhandlungen trat, einen mehr brauchte als man sie –, und Alex wusste, dass die Trophäen und Fotos nicht nur der Selbstdarstellung dienten, sondern auch dazu gedacht waren, andere zu verunsichern und so ihre Verhandlungsposition zu schwächen.
    Er hatte all seinen Mut zusammengenommen, war reingegangen und hatte sein Anliegen vorgetragen. Es war eine Gratwanderung – die Sache musste interessant genug klingen, dass Osborne grünes Licht gab, aber nicht so interessant, dass er versucht wäre, das Mandat selbst betreuen zu wollen. Schließlich wäre das Patent erst der Anfang, wenn alles gut lief. Es gäbe noch einen Riesenberg rechtlicher Fragen zu klären, und damit kannte Osborne sich besser aus als Alex.
    Als Alex fertig war, lehnte Osborne sich im Sessel zurück und legte seine Cowboystiefel auf den Schreibtisch. Er kratzte sich nachdenklich im Schritt. Das entspannte Verhalten machte Alex nervös. Er witterte ein Ablenkungsmanöver. Er wusste, dass Osborne insgeheim bereits Kalkulationen anstellte.
    »Was wird mein Mandant dazu sagen?«, fragte Osborne nach einem Augenblick.
    Alex zuckte die Achseln. »Was können die schon sagen? Die Erfindung hat weder was mit dem Kerngeschäft von Oracle zu tun noch mit Hilzoys sonstigen Aufgaben in der Firma. Ich hab den Arbeitsvertrag bereits durchgesehen. Oracle hat keinerlei Ansprüche.«
    »Was ist mit –«
    »Er hat die Erfindung zu Hause gemacht, in seiner Freizeit, an seinen eigenen Computern. Auch da gibt’s keine Probleme.«
    Osborne lächelte dünn. »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«
    »Ich hab von den Besten gelernt«, sagte Alex und wünschte sofort, er hätte sich die Bemerkung verkniffen. Osborne würde sie vermutlich im Kopf so lange bearbeiten, bis daraus wurde:
Sie haben mir so viel beigebracht, David. Ich schulde Ihnen alles.
    »Erzählen Sie mir, wie Sie den Burschen kennengelernt haben«, sagte Osborne nach einem Moment.
    »Er hat angerufen, gesagt, dass er zu Hause an etwas arbeitet, und gefragt, ob ich ihn in der Sache beraten könnte«, sagte Alex. Er hatte die Lüge so oft einstudiert, dass es ihm inzwischen so vorkam, als wäre alles wirklich so abgelaufen. »Ich hab mich mit ihm bei Starbucks getroffen, und er hat mir gezeigt, was er da in der Mache hatte. Ich fand es vielversprechend und hab alles Weitere angeleiert.«
    Das war natürlich nicht die Antwort, die Osborne sich erhofft hatte. Wenn Alex die Wahrheit gesagt hätte – dass er und Hilzoy das erste Gespräch über Obsidian hatten, als Alex im Auftrag der Kanzlei bei Oracle war –, dann hätte Osborne erst recht sagen können:
Ohne mich hätten Sie den Fisch nie an Land gezogen.
Alex ging davon aus, dass Osborne diskret bei Hilzoy nachfragen würde, falls sich ihm die Gelegenheit bot. Doch Alex hatte Hilzoy auf diese Möglichkeit vorbereitet. In ihrer beider Interesse galt: Je mehr alle glaubten, dass die Sache sich außerhalb von Oracle und der Kanzlei abgespielt hatte, desto besser.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Osborne. »Der Mandant wird sagen, Sie haben den Typen über ihn kennengelernt. Auch wenn Oracle keine rechtliche Handhabe hat, werde ich nicht riskieren, so einen wichtigen Mandanten zu verärgern wegen etwas, das vergleichsweise mickrig ist.«
    »Ich bitte Sie, David. Sie wissen doch selbst, jede Firma, die im Valley das Licht der Welt erblickt, hatte irgendwann mal irgendwelche Verbindungen zu einem großen etablierten Unternehmen. So läuft das einfach. Und das weiß Oracle auch.«
    Osborne sah ihn an, als würde er überlegen. Wahrscheinlich genoss er es, sich Zeit lassen zu können und
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