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Todescode

Todescode

Titel: Todescode
Autoren: Barry Eisler
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zwanzigmal bei ihm angerufen«, sagte sie. »Ich krieg immer nur die Mailbox.«
    Alex widerstand dem Drang, sie anzubrüllen. Sie konnte schließlich nichts dafür.
    »Fahren Sie zu seiner Wohnung«, sagte er. »Vielleicht ist er ja da. South Tenth Street in San Jose. Die Hausnummer hab ich vergessen, aber die Adresse steht in seiner Akte. Versuchen Sie weiter, ihn von unterwegs zu erreichen, und rufen Sie mich an, wenn Sie da sind. Wir haben noch ein bisschen Zeit, bis ich den Termin absagen muss und wir wie die Idioten dastehen.«
    »Was denken Sie –«
    »Ich hab keine Ahnung. Rufen Sie mich an, wenn Sie da sind. Los.«
    Alisa nickte und schloss die Tür. Alex begann wieder, auf und ab zu laufen.
    Gott, mach, dass er die Sache nicht vermasselt
, dachte er.
Es hängt für mich so viel davon ab.
    Alex war seit sechs Jahren bei Sullivan, Greenwald. Allmählich näherte er sich dem heiklen Punkt, wo es hieß, entweder die Leiter hoch oder raus. Seine fachliche Mischung aus Informatik und Patentrecht war zu selten und für die Kanzlei zu wertvoll, weshalb er sich wohl keine Sorgen zu machen brauchte, je arbeitslos zu werden. Nein, das Problem war tückischer: Die Partner der Kanzlei hatten ihn gern da, wo er war, und sie wollten ihn auch genau da behalten. Und in einem Jahr, höchstens zwei, würden sie anfangen, ihm die Vorzüge einer Position als Anwalt in beratender Funktion schmackhaft zu machen – das Geld, das Renommee, die flexiblen Arbeitszeiten und die Arbeitsplatzsicherheit.
    Für ihn war das alles Schwachsinn. Er wollte keine Sicherheit, er wollte Macht. Und Macht bei Sullivan, Greenwald erreichte man nur mit einem eigenen Mandantenstamm, einem eigenen Ressort. Wer nicht essen konnte, was er erlegte, bekam immer nur das ab, was von den Tischen der anderen fiel. Das mochte so manchem Kollegen ja genügen. Aber ihm nicht, niemals.
    Genau deshalb war Hilzoy für ihn so verdammt wertvoll. Alex wusste, dass er das Potential, das in Obsidian steckte, besser verstand als die meisten – nicht aus Hilzoys Präsentation, sondern indem er ans Eingemachte gegangen war und selbst das Design der Software genau unter die Lupe genommen hatte. Er hatte taktieren und großes politisches Geschick einsetzen müssen, das er sich selbst nicht zugetraut hatte, um die Partner davon zu überzeugen, die Honorarforderungen der Kanzlei vorläufig auf Eis zu legen und ihm das Mandat eigenverantwortlich zu überlassen. Obwohl sich alle in der Kanzlei locker gaben und mit Vornamen ansprachen, waren die Chefs allesamt Haie. Wenn sie Blut rochen, wollten sie die Beute für sich haben.
    Alex’ Mentor war David Osborne, einer der Partner und ein erfahrener Anwalt, der aber selbst nichts von Hightech verstand. Im Laufe der Jahre hatte er bei der strategischen Patentberatung zunehmend auf Alex’ Know-how zurückgreifen müssen. Er sorgte zwar dafür, dass Alex’ halbjährliche Boni die höchsten waren, die die Kanzlei zahlen konnte, doch gegenüber den Mandanten heimste er stets die Anerkennung ein, die eigentlich Alex gebührt hätte. Er gab sich locker und selbstbewusst mit seinen unvermeidlichen Cowboystiefeln und den knallroten T-Shirts, aber Alex wusste, dass Osborne im Kern Leute fürchtete, die er für kompetenter hielt als sich selbst. Trotz seiner regelmäßigen Andeutungen, er werde sich für Alex als zukünftigen Partner starkmachen, »wenn der richtige Zeitpunkt kommt«, war Alex inzwischen überzeugt, dass der richtige Zeitpunkt niemals kommen würde. Die Position als Partner wurde einem nicht geschenkt, man musste sie sich nehmen.
    Daher hatte Alex sich mehrmals heimlich mit Hilzoy getroffen, um ganz sicherzugehen, dass ihm die Obsidian-Software auch wirklich gehörte oder zumindest niemand das Gegenteil beweisen konnte. Danach hatte er einmal tief durchgeatmet und war über den kurzen, mit teurem Teppichboden ausgelegten Flur von seinem mittelgroßen Senioranwaltsbüro zu Osbornes riesigem Partnerbüro gegangen. Beide Büros lagen in dem klotzigen runden Gebäude, das die Partner gern als Rotunde bezeichneten, während bei den Anwälten der Kanzlei der Name Todesstern gebräuchlicher war. Ein Büro im Todesstern zu haben und nicht in den beiden Satellitengebäuden bedeutete einen gewissen Status – was für Osborne und, wie Alex zugeben musste, auch für ihn ungemein wichtig war – sowie eine strategisch günstige Position im Zentrum des Geschehens.
    Vor Osbornes Tür war er kurz stehen geblieben, um sich zu sammeln,
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