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Todesbraut

Titel: Todesbraut
Autoren: dtv
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war vertraut mit ihrer Kultur und vor allem der Vorsitzende eines Vereins, der CIFN hieß. Ausgesprochen »kiffen«, was Peer Wasmuths ausschweifenden Erzählungen selbst dann noch etwas Urkomisches gab, wenn man wusste, dass dies die Abkürzung für Christlich-Islamische-Freundschaft-Nord war.
    »Ohne Kiffen würde meinem Leben eine ganz wichtige Sache fehlen.« Wenn er redete, was während der ganzen Fahrt nahezu durchgehend der Fall war, schaute er Wencke direkt in die Augen. Eigentlich eine nette Geste, wenn man nicht gerade am Steuer eines Skoda saß und eine lange Allee entlangfuhr, an deren linker Seite die tiefen Wasser des Mittellandkanals flossen. »Unser Verein hat sich beim Bundespreis für Migrationsarbeit beworben und ist tatsächlich nominiert worden! Dem Sieger winkt eine stattliche Geldsumme, fünfundzwanzigtausend Euro, außerdem ein Besuch im Kanzleramt und überregionale Presse. Nächste Woche fällt die Entscheidung. Wir sind schon ganz aufgeregt, wissen Sie. So eine Auszeichnung erhöht einfach die Spendenbereitschaft, und wir sind hinter jedem Cent her, der unsere Arbeit unterstützt.«
    »Das kann ich mir denken. Ich drücke Ihnen die Daumen, dass es klappt.«
    »Ich hoffe, ich kann dadurch Kiffen ein bisschen populärer machen hier im Kreis Wunstorf. Wissen Sie, es gibt so viele Mitmenschen, vor allem die älteren, die haben von Kiffen einfach noch nie was gehört oder halten es für den Untergang des christlichen Morgenlandes. Das muss ich dringend ändern.«
    »Und wie wollen Sie das erreichen?«
    »Wir werden sie zum nächsten Kiffen-Treff einladen. Wenn es Kaffee und Kuchen dazu gibt, probieren die Senioren auch mal was Neues aus.«
    Wencke starrte aus dem Fenster und biss sich krampfhaft aufdie Unterlippe. Jetzt war nicht der richtige Moment, sich über diesen Spinner zu amüsieren, denn Peer Wasmuth spielte eine wichtige Rolle im Fall Armanc Mêrdîn. Er war fast so etwas wie ein Freund der Familie, und wenn er sich weiter so redselig gab, würde Wencke schon während der Fahrt einiges von ihm erfahren. Besser, sie nahm ihn ernst.
    »Seit wann kennen Sie Shirin Talabani?«
    Endlich schaute er wieder auf die Straße. »Seit mehr als zehn Jahren. Ich habe damals über das Bildungswerk meinen ersten Sprachkurs für Frauen angeboten, kostenlos. Unser Verein will die Chancen der kurdischen Frauen in Wunstorf verbessern.«
    »Sie unterrichten Deutsch für Ausländer?«
    »Damit habe ich mir im Studium schon ein bisschen was dazuverdient. Zweimal in der Woche nutze ich den Gemeinschaftsraum in der Wunstorfer
Aksa Camii –
der Moschee am Bahnhof. Es macht mir Spaß, ich interessiere mich für fremde Kulturen, war auch schon oft in Istanbul. Obwohl ich gläubiger Christ bin.«
    »Ist das denn ein Widerspruch?«
    Er schwieg verdächtig lange, und dann wechselte er das Thema. »Was genau wollen Sie eigentlich von Shirin? Doch hoffentlich nichts Unerfreuliches? Sie hat sich gerade wieder berappelt, nach dem, was vor drei Jahren geschehen ist   …«
    »Ich stelle für das Landeskriminalamt Daten zu bestimmten Verbrechensarten zusammen. Reine Forschungsarbeit, wir wollen eine Art Fallstatistik erheben. Dazu brauche ich auch die Stimmen der Opfer.« Wencke sah ihn von der Seite an. Er nickte, als wäre das Ganze seine Idee gewesen. »Denken Sie denn, es wird Frau Talabani belasten, wenn sie über den Mordanschlag reden muss?«
    »Sie klang zumindest nicht begeistert, als ich vorgestern unseren Besuch ankündigte.«
    »Ist sie denn sehr   … wie soll ich sagen   … Lebt sie sehr zurückgezogen?«
    Wasmuth lachte. »Nein, schüchtern ist Shirin ganz bestimmt nicht. Sie ist ein fröhlicher Mensch, sehr extrovertiert. Wollen Sie sie mal sehen?« Er fuhr ohne zu blinken rechts ran und hielt zwischen zwei Bäumen, der Wagen stand schräg, die Beifahrerseite neigte sich bedenklich Richtung Graben. Ein Traktor hinter ihnen hupte böse, doch Wasmuth schien das gar nicht zu merken. Stattdessen kramte er sein Handy heraus, drückte ein paar Tasten und hielt es Wencke freudestrahlend hin. »Das habe ich vor zwei Wochen aufgenommen. Beim CIF N-Sommerfest . Shirin hat Ayran verkauft, gemeinsam mit ihren Kindern. Schauen Sie sich diese Powerfrau an!«
    Wencke betrachtete den winzigen Bildschirm, ihre Augen mussten sich erst einmal zurechtfinden, dann erkannte sie jede Menge aneinandergereihte Holztische, geschützt von bunten Sonnenschirmen. Es herrschte Gedränge vor und hinter den Verkaufsständen, auf
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