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Tod in Innsbruck

Tod in Innsbruck

Titel: Tod in Innsbruck
Autoren: Lena Avanzini
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geduldiger Mensch. Aber du solltest das nicht überstrapazieren.«
    »Es tut mir leid. Ich war leichtfertig und habe …«
    Sein Blick wanderte nach unten und blieb an ihren Füßen haften. »Du hast dir schon wieder Schuhe gekauft. Bald stellst du Imelda Marcos in den Schatten.« Er grinste. Einen Lidschlag später wurde er wieder ernst. »Bei Geld hört die Freundschaft auf.«
    »Schon klar. Ich werde den Betrag überweisen. Bitte gib mir noch drei Wochen.«
    Das Handy vibrierte in ihrer Hosentasche. Sie zog es heraus.
    Mutter. Immer im falschen Moment.
    Ungeduldig drückte sie den Anruf weg und steckte das Handy wieder ein.
    »Kannst du nicht wenigstens einen Teil zahlen?«
    »Nein. Es war Blödsinn, Schuhe zu kaufen. Das sehe ich ein. Aber bitte sei jetzt nicht kleinlich. Du wirst nicht verhungern, wenn ich erst in drei Wochen bezahle.«
    »Es geht ums Prinzip, weißt du? Gleiches Recht für alle. Wenn ich drei Wochen warten muss, muss ich dir Verzugszinsen und eine Mahngebühr berechnen.«
    »Was? Das ist ja nicht dein Ernst!« Wut kochte in ihr hoch. »Das ist Wucher!« Sie schnaubte. Niemals hätte sie Jochen für so geldgierig gehalten. »Es gibt genau zwei Möglichkeiten. Entweder unsere Freundschaft ist dir eine Gnadenfrist von drei Wochen wert, zinsfrei, oder ich kündige!«
    »Unsere Freundschaft oder deine Mitgliedschaft im Wing-Tsun-Verband?«
    »Beides«, zischte sie. »Und zwar fristlos.«
    Jochen bog den Kopf zurück. Er lachte, bis seine Augen tränten. »Entschuldige, Vera, aber du bist einfach herrlich, wenn du wütend bist. Natürlich kannst du in drei Wochen zahlen.« Er zwinkerte. »Ich hab doch nur Spaß gemacht. Hast du wirklich geglaubt, dass ich dir Zinsen …?«
    »Schöner Spaß.« Vera biss sich auf die Lippen. Dann musste sie selbst lachen.
    Jochen zerknüllte den Zahlschein und warf ihn in hohem Bogen in den Papierkorb.
    »Danke.« Wieder ging ihr Handy los. Wieder war Mutter die Anruferin.
    Jetzt nicht. Vera drückte auf den roten Knopf.
    »Übrigens … Es gibt tolle Neuigkeiten. Halt dich fest.«
    Sie hob die Brauen. »In Sachen Band? Hast du einen Gig klargemacht?«
    »Und was für einen.« Jochens Augen strahlten. Mehr als seinen Beruf als Kampfkunsttrainer liebte er den Jazz. Vor etlichen Jahren hatte er »The Old Papas’ Jazzquintet« gegründet. Jochen war der Bassist der Truppe und ihr Manager. Obwohl die alten Herren alle die fünfzig überschritten hatten und nur zwei von ihnen Berufsmusiker waren, hatten sie ein professionelles Niveau und überregionale Bekanntheit erreicht. »Den Gig der Gigs«, sagte Jochen und verschränkte die Arme.
    »Wow, ich freue mich für euch. Wo spielt ihr denn?«
    »Was heißt ihr? Ich hoffe, du bist mit von der Partie.« Er grinste Vera an. Seit sie ihn auf seiner Geburtstagsparty mit einigen Jazzstandards überrascht hatte, engagierte er sie immer wieder für Auftritte mit seinen »Papas«. Bisher hatte es sich allerdings um schlecht bezahlte Gigs in kleinen Jazzcafés gehandelt.
    »Jetzt mach’s nicht so spannend. Um welchen Schuppen geht es diesmal?«
    »Kein Schuppen. Eine Alm. Die Steinalm in Saalfelden.«
    Vera schnappte nach Luft. »Saalfelden? Du meinst jetzt aber nicht das …« Der Gedanke war so kühn, dass sie ihn nicht aussprechen konnte.
    »Doch.« Jochens Blick wurde feierlich. »Das Saalfeldener Jazzfestival ruft.«
    Ungläubig schüttelte sie den Kopf. »Das ist wieder einer deiner Witze.«
    »Keinesfalls. Ich hoffe, du hast am 28. August noch nichts anderes vor. Es gibt gute Kohle. Da ist bestimmt das eine oder andere Paar Schuhe drin. Und ein Monatsbeitrag für Wing Tsun.« Er zwinkerte.
    »Mensch! Das ist ja der Hammer! Wie hast du das geschafft?« Sie umarmte Jochen, der sie bei den Schultern packte und im Kreis herumwirbelte. Vera hatte Mühe, auf ihren High Heels das Gleichgewicht zu halten.
    »Wir springen ein. Eine österreichische Band musste wegen einer Terminkollision absagen. Bist du dabei?«
    »Glaubst du, ich lasse mir Saalfelden entgehen? Ich bin doch nicht bescheuert!« In diesem Augenblick vibrierte ihr Handy zum dritten Mal. Mutter.
    Merkwürdig. Sie ist doch sonst nicht so aufdringlich.
    Diesmal nahm Vera den Anruf an.
    »Mama?«
    Es knackte. Jemand keuchte.
    »Hallo?«
    Keine Antwort, nur ein Knistern.
    »Was soll das?«, fragte sie lauter als beabsichtigt. »Melde dich endlich!«
    Als Vera ein Schluchzen vernahm, blätterte die Gereiztheit von ihr ab wie eine spröde Lackschicht. Ihr Herz begann zu
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