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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux
Autoren: Paul Grote
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oder Cabernet Franc beschäftigt sein, dachte Martin beim Aussteigen, das kalte Wetter der letzten Zeit wird die Lese verzögert haben.
    «In einer halben Stunde bin ich zurück. Wenn nicht, dann verlass das Grundstück und ruf Grivot an», sagte er, holte die Kiste mit dem gefälschten Haut-Bourton aus dem Kofferraum und machte sich auf die Suche nach Bichot. Seine Autos jedenfalls waren da, der bullige Geländewagen sowie die schrottreife Kiste, mit der er an jenem Morgen gekommen war, als er ihn kennen gelernt hatte.
    Martin nahm den breiten Weg, der neben der Kellerei zum Château führte, von wo ihm zwei Männer entgegenkamen. Einer ging an ihm vorbei, der andere senkte plötzlich den Kopf, wandte sich zur Seite und blieb neben einer Kellertreppe stehen. Aus irgendeinem Grund kam Martin der Mann bekannt vor, etwas jedoch befremdete ihn. War es das Aussehen, die Größe oder die Statur, das Haar? Nein ... der Bart, genau, das war es. Er hatte keinen gehabt. Der Mann wandte Martin jetzt den Rücken zu und stierte angestrengt in das Fenster über der Treppe. Martin wollte ihn gerade nach Bichots Büro fragen, als er in der Scheibe die Spiegelung bemerkte.
    Die Umrisse des Mannes, Gauguin, der Violoncellist Upaupa, seine Wohnung, die Erinnerung war wieder da. Auch seine Nase gab Alarm: Schweiß, Knoblauch, Zigarettenrauch, vergorener Rotwein und drei Tage alter Trester ...
    Martin hob die Kiste bis an die Brust, drehte sich nach links, holte Schwung und knallte sie dem Mann vor sich mit voller Wucht in den Rücken. Der schrie überrascht auf, fiel nach vorn, riss die Arme hoch, um sich festzuhalten, doch Martin trat ihm die Füße weg, und der Mann kippte wie ein Sack vornüber in den betonierten Treppenschacht. Es kam ein dumpfes Poltern, dann ein Röcheln, und als Martin die Kiste auf dem Geländer absetzte und nach unten blickte, sah er die verkrümmte Gestalt vor der Kellertür liegen, mit dem Gesicht nach unten. Von Grandville also kam das Schwein her, das ihn halb tot geschlagen hatte. Dann hatte Bichot ihn geschickt.
    Martin war entsetzt. Nicht über den Anblick des leblosen Mannes, sondern über die maßlose Befriedigung, die er empfand. Rache sei süß, sagte man immer. So etwas Ähnliches fühlte er, und ihn schauderte. Er ging rasch weiter, sah sich um. Anscheinend hatte niemand etwas bemerkt.
    Links war die Rückseite des Château. Einige Fensterläden waren geschlossen, dort, wo sie geöffnet waren, schimmerte Licht. Wo wohl Bichots Büro war? Er fragte eine Büroangestellte.
    Sie wies ihm den Weg durch den Hintereingang und machte ihn darauf aufmerksam, dass er sich im Vorzimmer anzumelden hatte.
    Martin nickte und sagte höflich: «Ich werde erwartet.» Er ging die Treppe hoch und betrat einen langen Flur. Eine Dame stürzte aus einem Zimmer. «Monsieur, Sie können nicht...»
    «Doch, ich kann sehr wohl», sagte Martin kurz und drängte die Frau vor sich her. Sie stellte sich in eine Tür, die sie um jeden Preis verteidigen wollte. Dann war er hier richtig. Martin schob die Sekretärin beiseite und drückte die Klinke mit dem Ellenbogen auf.
    Der Raum war hell und klar, die Möbel bleigrau, rechts ein Sideboard, dahinter ein großes Fenster, links an der Wand ein Chagall, wie üblich viel Blau, mit Sonnenrad und Mondsichel und einer kleinen Frau. Garantiert ein Original, dachte Martin, das kann er sich bestimmt leisten. Bichot saß hinter einem breiten Schreibtisch aus Stahl und Glas, vor sich Papiere auf einer Schreibmappe aus grauem Chagrinleder.
    Er ließ das Schriftstück sinken und sah ihn fassungslos an. Dann schluckte er und winkte die entsetzte Sekretärin aus dem Raum.
    «Überrascht?» Martin ließ die Weinkiste auf den Schreibtisch krachen. Eine Federschale zerbrach. «Kaufen Sie sich ’ne neue, Bichot. Aber ich glaube nicht, dass Sie das noch brauchen, wenn ich mit Ihnen fertig bin.»
    Bichot fing sich erstaunlich schnell. «Was ist das für ein Benehmen? Was knallen Sie mir die Kiste auf den Tisch? Was soll diese Unverschämtheit? Dass Sie gewalttätig sind, hat mir Monsieur Fleury bereits berichtet ...» Es war ein anderer Ton, den Bichot jetzt anschlug - böse, gemein und hämisch. Ein wenig hatte all das bereits bei Bichots letztem Besuch mitgeklungen.
    «Monsieur, ich bringe Ihnen nur das Objekt Ihrer Begierde wieder. Im Gegensatz zu der Kiste, die Sie Gaston Latroye überließen, hat diese hier einen weiten Weg hinter sich: Bordeaux - Hamburg - London - Singapur und
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