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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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hohes schmiedeeisernes Tor auf. Sie standen in einem großen, von Kolonnaden umgebenen Innenhof, in dessen Mitte sich ein steinerner Brunnen befand. Es war kalt und dunkel hier, nach der Helligkeit und der Hitze der Straße, und der Lärm des Festzugs drang kaum heran. Dafür war in einem der oberen Stockwerke Musik zu hören. Der Wachtmeister folgte der kleinen Figur, die aufgeregt vor ihm herlief und wieder zurückkam, um ihn vorwärts zu drängen, so wie Hunde es manchmal tun. Jetzt wartete er vor einer Tür rechts im Säulengang. Der Wachtmeister erreichte ihn und sagte: »Na?«
    Der Mann war ein Zwerg, er reichte dem Wachtmeister knapp bis zur Taille, aber nach seinem Gesicht zu urteilen war er mindestens vierzig. In der Tasche seines schwarzen Arbeitskittels suchte er nach einem Schlüssel.
    »Ich habe abgeschlossen. Man weiß ja nie. Nicht, daß er irgendwohin gehen würde!«
    Der Wachtmeister wartete schweigend. Er ahnte schon, daß ihm etwas sehr Unangenehmes bevorstand, konnte dieses Gefühl aber nicht mit dem Verhalten des anderen vereinbaren. Also wartete er einfach. Der Zwerg schloß die Tür auf und trat mit dem Wachtmeister ein. Es war ein Jagdzimmer, ziemlich klein und fensterlos. Ein Licht brannte. Abgesehen von dem Gewehrständer und einem Schrank war nur noch ein Tisch sowie ein Ledersessel im Zimmer. Sonst nichts, nur der Tote, der auf der Erde lag.
    »Wer ist das?«
    DiegroßenAugendesWachtmeistersregistriertenjede Einzelheit.
    »Der Chef. Der Boß. Hat sich jedenfalls dafür gehalten. Jetzt ist er eines Besseren belehrt worden. Eher so etwas wie ein Prinzgemahl. Sie wissen, was ich meine?«
    »Nein.«
    Der Wachtmeister beugte sich herunter, um sich den Toten genauer anzusehen. Er war aus nächster Nähe in den Hals geschossen worden. Oder hatte sich wohl eher selbst umgebracht. Er lag auf dem Rücken, quer über seiner Brust lag ein Gewehr. Über einem schwarzen Smoking trug er einen seidenen Morgenmantel, und eine seitliche Gesichtspartie wies einen dunklen Fleck auf.
    »Wer ist das?« fragte der Wachtmeister wieder, und dann, als der Zwerg gerade den Mund öffnete, um zu antworten: »Sein Name.«
    »Corsi. Buongianni. Sie müssen von seinem berühmten Aperitiv gehört haben. Schenkt neue Kraft in jeder Lebenslage – kennen Sie bestimmt aus der Fernsehwerbung. In dieser Lebenslage wird er allerdings mehr als einen brauchen…«
    »Und wie heißen Sie?« fragte der Wachtmeister finster.
    »Ich? Ich werde gewöhnlich Grillo gerufen.«
    Das konnte sich der Wachtmeister gut vorstellen – diese kleine drauflosplappernde Kreatur hatte wirklich etwas von einer Grille.
    »Tja«, sagte Grillo und rieb sich zufrieden die Hände, »man wird ihr Bescheid sagen müssen, und Sie sind genau der Richtige dafür. Ich hatte mir schon überlegt, was ich tun sollte, und dann habe ich Sie dort draußen durch das Fenster gesehen. Nicht hier…« – er hatte den Blick des Wachtmeisters sofort verstanden –, »nebenan. Ich werde nicht hinaufgehen. Nicht meine Aufgabe. Mit denen da oben habe ich nichts zu tun. Eigentlich ist der Portier dafür zuständig, aber er und seine Frau sind schon dort oben, verkleidet als Butler und Dienstmädchen. Was sie wohl dazu sagen wird.«
    »Setz dich.«
    Der Wachtmeister sah inzwischen etwas gefährlicher aus. Grillo setzte sich. Es gab nur die eine Sitzgelegenheit, und der Wachtmeister beugte sich über ihn und funkelte ihn mit seinen großen Glupschaugen an. Grillo verschränkte die Arme und starrte unbekümmert zurück.
    »Zu Diensten, solange Sie nicht verlangen, daß ich…«
    »Klappe.«
    Aber nachdem er ihm den Mund gestopft hatte, wußte der Wachtmeister nicht, wo er anfangen sollte. Buongianni Corsi… Der Aperitif kam ihm bekannt vor, auch wenn er persönlich das Zeug nie anrührte. Der schwache Klang einer Trompetenfanfare drang von außen herein, wie von einer anderen Welt. Dem Wachtmeister war, als müsse er in dem kleinen Raum bald ersticken. Dieses Gefühl sollte ihn so schnell nicht wieder verlassen. Seufzend sah er von dem Zwerg zu dem Toten und wieder zurück. »Wann hast du ihn gefunden?«
    »Ich habe keine Uhr.«
    »Wann ungefähr?«
    »Vor einer halben Stunde vielleicht. Ich bin reingekommen…«
    »Warum?«
    »Warum? Um die Gewehre zu reinigen, natürlich. Das ist mein Job, schon immer gewesen.«
    »Und, hast du's getan?«
    »Sie gereinigt? War doch sinnlos. Er braucht sie nicht mehr. Ich habe das Zeug da nicht rausgeholt, wenn Sie das meinen.«
    Ihm entging
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